Deutschland - Info

Deutschland liegt in der Mitte Europas. Seine Ausdehnung und seine staatsrechtliche Stellung waren im Laufe der Geschichte vielen Wandlungen unterworfen. Infolge des West-Ost-Konflikts war Deutschland von 1949 bis 1990 geteilt in die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik. Die Wiedervereinigung wurde am 3. 10. 1990 vollzogen.

Landesnatur

Deutschland wird im Süden von den Alpen und im Norden von der Nord- und Ostsee begrenzt. Nach Westen und Osten gibt es keine natürliche Abgrenzung. Deutschland ist ein Übergangsgebiet zwischen dem vom Atlantik bestimmten Westeuropa und dem kontinentalen östlichen Europa.

Oberflächengestalt

Aufgrund der Oberflächenformen gliedert sich Deutschland in das Alpenvorland mit dem Alpenrand, das Mittelgebirge und das Norddeutsche Tiefland.

Der deutsche Alpenanteil beschränkt sich auf die zu den Nördlichen Kalkalpen gehörenden Allgäuer, Bayerischen und Salzburger Alpen zwischen Bodensee und Salzach. Dem Alpenrand sind hügelige Moränengebiete mit Rinnenseen (aus eiszeitlichen Gletschern entstanden) und weite Schotterplatten vorgelagert, die zu einem Hügelland aus tertiären Ablagerungen überleiten. Die Nordgrenze des Alpenvorlandes bildet die Donau

Im Mittelgebirge wechseln aufgeworfene Gebirgsschollen mit Faltungszonen, Grabenbrüche und Senkungsfelder mit Schichtstufen oder vulkanischen Formen. Es sind engräumige, verschiedenförmige Landschaften, die die Ausbildung zahlreicher Volksstämme und die Entstehung kleiner Staatswesen und Territorien lange Zeit begünstigten. Wie ein Gewölbe, dessen First zur Oberrheinischen Tiefebene eingebrochen ist, erscheinen die Vogesen und der Schwarzwald mit ihren nördlichen Fortsetzungen Pfälzer Wald und Odenwald. Die Senke des Kraichgaus und das untere Maintal leiten über zum Schwäbisch-Fränkischen Stufenland mit meist fruchtbaren, dicht besiedelten Becken und den rauen Höhen der Schwäbisch-Fränkischen Alb, im Osten vom Böhmerwald und Bayerischen Wald begrenzt. In einem Durchbruchstal zwängt sich der Rhein, die wichtigste Verkehrsader von Deutschland in Nord-Süd-Richtung, durch das Rheinische Schiefergebirge, dessen wenig fruchtbare Hochflächen nur dünn besiedelt sind; die geschützten Täler sind siedlungsreich, durch Weinbau und Fremdenverkehr bestimmt. Uralte Verkehrsstraßen durchziehen Hessen, umgehen die alten Vulkanmassive von Vogelsberg und Röhn und führen durch den Leinegraben bzw. durch das Weserbergland ins Tiefland. Als hoch gedrückte, zerbrochene Schollen erheben sich Harz, Thüringer Wald, Fichtelgebirge, Erzgebirge und Lausitzer Bergland. Zwischen Erzgebirge und Lausitz durchbricht die Elbe das Elbsandsteigebirge und tritt unterhalb von Dresden ins Tiefland ein.Das Norddeutsche Tiefland zwischen den Küsten von Nord- und Ostsee und dem Mittelgebirgsrand ist in seinem Gesamtcharakter viel einheitlicher. Seine Oberfläche wurde von der Eiszeit geformt, deren Ablagerungen nur vereinzelt den Gesteinsuntergrund zu Tage treten lassen. Während die Ostseeküste meist sandig ist, wird die Nordseeküste von einem fruchtbaren bodenfeuchten Marschlandstreifen gesäumt. Das Tiefland ist jedoch nur gebietsweise wirklich eben: In weitem Bogen zieht der flache Südliche Landrücken von der Unterelbe über die Lüneburger Heide und den Fläming bis zur Niederlausitz; im Norden verläuft parallel dazu der Nördliche Landrücken mit dem Holsteinischen Hügelland und der Mecklenburgischen Seenplatte. Beiden Endmoränengürteln folgen im Norden ein flachwelliges, lehmiges Grundmoränengebiet, im Süden ein breiter Streifen von unfruchtbaren, z. T. verheideten Sandflächen und die ehemals vermoorten, auf weite Strecken von den heutigen Flüssen benutzten Urstromtäler, die im Tal von Elbe und Weser zusammenlaufen und die natürlichen Wege des heute ausgebauten Wasserstraßensystems darstellen. Weite Buchten greifen ins Mittelgebirge ein und sind mit ihren Lössböden seit jeher bevorzugte Siedlungs- und Wirtschaftsgebiete: die Kölner oder Niederrheinische Bucht zwischen Eifel und Bergischem Land, die Westfälische oder Münsterländer Bucht zwischen Sauerland und Teutoburger Wald, die Leipziger Tieflandsbucht zwischen Harz und Sächsischem Bergland.

Gewässer

Den Abdachungsverhältnissen entsprechend streben die meisten Flüsse (Rhein, Ems, Weser, Elbe, Oder) nach Nordwesten zur Nord- und Ostsee. Mit Ausnahme des Rheins, des größten und wichtigsten Stroms, der eine unmittelbare Verbindung zwischen Alpenraum und Nordsee schafft, entspringen sie im Mittelgebirge und sind natürliche Verbindungswege zum Tiefland, wo sie durch Kanäle miteinander verknüpft wurden. Nur die Donau mit ihren Zuflüssen gehört zum Einzugsgebiet des Schwarzen Meeres. Quelle oder Mündung der deutschen Flüsse liegen außer bei Ems und Weser auf nichtdeutschem Gebiet.

Die stehenden Gewässer sind außer den Eifelmaaren eiszeitlichen Ursprungs und daher an die Gebiete ehemaliger Eisbedeckung (Norddeutsches Tiefland, Alpenvorland) gebunden. In zunehmendem Maße entstanden Talsperren mit Staudämmen als Hochwasserschutz, zur Regulierung der Wasserstände und zur Wasserversorgung. Die dem Stauraum nach größten künstlichen Seen Deutschlands sind der Stausee der Bleilochtalsperre (obere Saale, 215 Mio. m3), der Rurstausee Schwammenauel in der Eifel (203 Mio. m3) und der Edersee (202 Mio. m3).

Klima

Deutschland gehört der gemäßigten Zone an, mit Niederschlägen zu allen Jahreszeiten. Im Nordwesten ist das Klima mehr ozeanisch bestimmt (mäßig warme Sommer, relativ milde Winter) und nimmt nach Osten kontinentalen Charakter an. Mit zunehmender Kontinentalität wird der Temperaturunterschied zwischen Sommer und Winter größer (Aachen im Juli 17,5°C, Januar 1,8°C; Frankfurt/Oder im Juli 18,7°C, Januar 1,0°C). Im Winter ist die Dauer der Schneedecke sehr verschieden. Auch nach Süden zu verstärkt sich der kontinentale Klimatyp, z. T. unterstützt durch das ansteigende Relief. Im Einzelnen wird das Regionalklima durch die Lage der Gebirgszüge stark abgewandelt: Die feuchten atlantischen Luftmassen erreichen fast immer von Westen her die Gebirge, so dass die Niederschläge hier, auf der "Wetterseite", bis 1800 mm im Jahr erreichen können, während sie in den Becken und Senken bis auf 500 mm zurückgehen (Mainzer Becken, Leipziger Bucht). Noch charakteristischer als die regionale Verteilung der Klimatypen ist der häufige Wechsel zwischen feuchtkühlem (im Winter feuchtmildem) Wetter mit atlantischen Tiefdruckausläufern und trockenwarmen (im Winter trockenkalten) Hochdruckwetterlagen. Der für die Vegetation und die Landwirtschaft wichtige Zeitraum zwischen dem letzten Frost im Frühling und dem ersten im Herbst beträgt im Durchschnitt in Berlin 205, in Wiesbaden 212 und auf Helgoland 250 Tage.

Pflanzenwelt

Entsprechend den klimatischen Bedingungen gilt in Deutschland der Laubwald (besonders Eichen und Buchen) als die natürliche Vegetation. Dazu treten in den Mittelgebirgen Nadelwälder und im Nordwesten Charakterpflanzen des ozeanischen Klimas (Ginster, Fingerhut, Glockenheide). Seit dem 19. Jahrhundert wurden viele Waldflächen in reine Kiefern- oder Fichtenwälder umgewandelt. Vor allem die Eiche wird durch die Emission von Industrieabgasen zunehmend gefährdet. Auch die Vegetation der Moore in Nordwestdeutschland wird unter dem Einfluss des Menschen weit gehend verändert. Die Heiden sind z. T. auf menschliche Einwirkungen zurückzuführen.

Bevölkerung

Das deutsche Volk, etwa 75 Millionen umfassend, ist aus einer Vielzahl von Stämmen zusammengewachsen, die alle ihre traditionellen Eigenarten in Brauchtum und Sprache haben (z. B. Bayern, Schwaben, Hessen, Sachsen, Thüringer). Eine Reihe von Unterschieden sind allerdings durch Bevölkerungsvermischung nach 1945 und große Mobilität der modernen Industriegesellschaft nivelliert worden.

Ethnische Minderheiten bilden die über 60 000 Sorben (Wenden), ein slawisches Volk, das in der Lausitz und im Spreewald ansässig ist, die über 50 000 Dänen im Norden Schleswig-Holsteins sowie die rund 50 000 Zigeuner (Sinti und Roma) sowie die 12 000 Friesen in Nordfriesland und in Niedersachsen.

Neben den Deutschen leben z. Z. rund 7,3 Mio. Ausländer in Deutschland, hauptsächlich Türken (über 2 Mio.), Jugoslawen (737 000), Italiener (616 000), Griechen (364 000) und Polen (292 000) sowie kleinere Gruppen (150 000-250 000) von Österreichern, Bosniern und Kroaten. 1999 betrug die Zahl der Asylsuchenden (vor allem aus der Türkei, Jugoslawien, Bosnien-Herzegowina und Irak) 95 100 Personen und war damit erneut im Vergleich zum Vorjahr (98 600 Personen) rückläufig.

Die Bevölkerungsentwicklung ist eng mit der historischen Entwicklung des Deutschen Reiches verknüpft. Der deutsche Nationalstaat wuchs 1871-1915 von 41 Mio. auf 67,9 Mio. Einwohner. Durch die Folgeerscheinungen des 1. Weltkriegs ging die Bevölkerungszahl zurück, erreichte aber 1937 wieder 68 Mio. Für die folgenden Jahre gibt es wegen der zahlreichen Zwangsumsiedlungen, der weit gehenden Vernichtung des jüdischen Bevölkerungsteils und der Kriegsverluste keine genauen Angaben der Bevölkerungsbewegung.

Nach der Teilung Deutschlands ergaben sich für beide deutsche Staaten recht unterschiedliche Entwicklungen: 1946-1990 wuchs die Bevölkerung im alten Bundesgebiet (einschließlich Berlin [West]) von 46,2 auf 62,7 Mio. Einwohner. Die Ursache für die starke Bevölkerungszunahme unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg liegt in dem großen Zustrom von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und der sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR. Seit Ende des 2. Weltkriegs fanden über 14 Mio. Vertriebene, Flüchtlinge und Umsiedler aus diesen Gebieten Aufnahme im Bundesgebiet, davon allein über 3,5 Mio. aus der DDR, die vor allem in den 1950er Jahren zuwanderten. Nach dem Bau der Berliner Mauer (1961) setzte der Zustrom aus der DDR fast völlig aus, da nur noch Wenigen die Flucht über die Grenze gelang. 1961-1988 beruhte der Bevölkerungszuwachs überwiegend auf der Zuwanderung von ausländischen Arbeitnehmern aus den Mittelmeerländern. Im Jahre 1989 übersiedelten rund 720 000 Deutsche aus der DDR und den damaligen Ostblockstaaten in das Bundesgebiet. 1999 kamen die meisten deutschstämmigen Aussiedler aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Auf dem Gebiet der DDR hatte die Bevölkerungszahl durch die Wanderung von Vertriebenen und den Flüchtlingsstrom von Ost nach West bis 1964 ständig abgenommen. Vor allem flüchteten Jugendliche und Menschen im erwerbsfähigen Alter. Damit war nicht nur ein großer Arbeitskräfteverlust verbunden, sondern es fehlte auch die Grundlage für ein langfristiges natürliches Bevölkerungswachstum, so dass sich seit 1969 in der DDR ein Sterbeüberschuss einstellte. Erst seit 1979 ergab sich wieder ein leichter Geburtenüberschuss.

Die Bevölkerungsentwicklung kommt auch deutlich in der Altersstruktur zum Ausdruck, vor allem zeigen sich die Auswirkungen des Geburtenrückgangs. Der Anteil der Personen unter 15 Jahren nimmt immer mehr ab und liegt bei knapp 16% der Gesamtbevölkerung. Demgegenüber steigt der Anteil der über 65-Jährigen ständig und beträgt bereits mehr als ein Siebtel der Gesamtbevölkerung. Die mittlere Lebenserwartung liegt für Frauen bei 80 Jahren und für Männer bei 74 Jahren. Der durch die beiden Weltkriege bedingte Frauenüberschuss wird allmählich durch die nachwachsenden Jahrgänge ausgeglichen.

Bevölkerungsverteilung: Am dichtesten besiedelt ist, abgesehen von den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, Nordrhein-Westfalen mit über 500 Einwohnern je km2, während Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bayern, Schleswig-Holstein und Thüringen weit unter dem Durchschnittswert für Deutschland (230 Einwohner je km2) bleiben. Besonders im Rhein-Ruhr-Gebiet, in der Rhein-Main-Region um Frankfurt am Main, im Rhein-Neckar-Raum um Mannheim-Ludwigshafen, im Saarland sowie um die Städte Hamburg, Bremen, Hannover, Stuttgart, Nürnberg und München haben sich starke Bevölkerungskonzentrationen entwickelt. Im Osten des Landes zieht sich von Magdeburg über Halle und Leipzig nach Dresden mit Ausläufern nach Zwickau und Chemnitz ein Band dichter Besiedlung hin. Inmitten einer dünn besiedelten, stark ländlich geprägten Umgebung liegt die Hauptstadt Berlin als eine große, dicht bevölkerte und stark industrialisierte Insel. Berlin ist mit 3,4 Mio. Einwohnern das zweitgrößte Ballungszentrum Deutschlands, übertroffen nur noch vom Ruhrgebiet. Diesen überaus dicht bevölkerten Gebieten stehen einige nur schwach besiedelte gegenüber, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Rückständigkeit einen ständigen Bevölkerungsschwund aufweisen, z. B. Gebiete der Eifel, des Bayerischen Waldes, der Oberpfalz, Niedersachsens und Südostwestfalens sowie weite Teile der neuen Bundesländer.

Rund 31 Mio. Menschen wohnten 1999 in den 82 Großstädten mit über 100 000 Einwohnern. Gleichzeitig lebten 35 Mio. Menschen, d. h. rund 43% der Gesamtbevölkerung, in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern. Das Bild der ländlichen Siedlungen in Deutschland hat sich seit 1945 stark verändert, im alten Bundesgebiet durch Flurbereinigungen und Aussiedlungen von Agrarbetrieben auf die Flur, in der DDR durch die Kollektivierung der Landwirtschaft.

Die Entwicklung der Städte begann im Westen und Südwesten Deutschlands und geht auf die Römerzeit zurück (Köln, Bonn, Trier, Augsburg u. a.). Die Städte des Mittelalters haben sich oft in der Nähe von Bischofssitzen (Würzburg, Hildesheim, Magdeburg u. a.) oder Kaiserpfalzen (Aachen, Goslar, Quedlinburg) entwickelt. Seit dem 11. Jahrhundert entstanden echte Gründungsstädte mit regelmäßigem Grundriss (besonders durch das Adelsgeschlecht der Zähringer, in Süddeutschland z. B. Freiburg im Breisgau). Auch die Städte der deutschen Ostsiedlung sind planmäßig angelegt. Im Barockzeitalter wurden prächtige Residenzstädte (Dresden, Karlsruhe, Mannheim u. a.) erbaut. Kriegszerstörung und Wiederaufbau haben das Bild der historisch gewachsenen Städte stark verändert. Dazu kommt die Entstehung neuer Stadtviertel und Teilstädte am Rande von Ballungsräumen.

Religion

Nach Artikel 4 des Grundgesetzes sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Rund 70% der Bevölkerung gehören christlichen Kirchen an, etwa 34,1% der evangelischen, 33,4% der katholischen Konfession; 30% gehören anderen Konfessionen an oder sind bekenntnislos. Der evangelische Volksteil überwiegt im Norden und Osten, der katholische im Süden Deutschlands. Rheinland-Pfalz, Saarland und Bayern sind mehrheitlich katholisch, in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind beide Konfessionen etwa gleich stark, in den übrigen Bundesländern überwiegen die Protestanten. - Die jüdische Gemeinde zählt etwa 47 000 Mitglieder.

Seit der Zuwanderung zahlreicher ausländischer Arbeiter leben heute 3 Mio. Moslems, zumeist Türken, und 200 000 Buddhisten in Deutschland. Der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland gehören etwa 350 000 Gläubige an.

In der DDR garantierte die Verfassung zwar die Gewissens- und Glaubensfreiheit sowie das Recht der Bürger, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben, die Partei- und Staatsführung versuchte aber, die Kirchen in die Isolierung abzudrängen. Es wurden traditionelle Kirchenfeiertage, wie Ostermontag, Himmelfahrt, Buß- und Bettag abgeschafft; dagegen wurden sozialistische Staatsriten, wie Kinder-, Jugend- und Eheweihe, stark propagiert. Etwa 34% der Bevölkerung gehörten den evangelischen Landes- und Freikirchen an, rund 6% der katholischen Kirche, 60% waren konfessionslos. In der DDR lebten etwa 450 Juden.

Unter dem Druck des SED-Regimes hatten sich 1969 die 8 evangelischen Landeskirchen formell von der EKD getrennt und zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR zusammengeschlossen. 1991 wurde die Vereinigung vollzogen, abgeschlossen mit der Konstituierung der neuen EKD-Synode und mit der Wahl eines neuen Rates.

Durch die Auflösung der Berliner Bischofskonferenz auf DDR-Gebiet und die Aufnahme in die Deutsche Bischofskonferenz fand im November 1990 die Wiedervereinigung der formalrechtlich nie getrennten katholischen Kirche in Deutschland statt. Der Vatikan hatte niemals die deutsche Teilung anerkannt. Die westdeutschen Bistümer Osnabrück, Hildesheim, Fulda, Würzburg sowie das Erzbistum Paderborn blieben formalrechtlich weiter zuständig für ihre auf ostdeutschem Gebiet gelegenen Diözesanterritorien, die von direkt dem Vatikan unterstellten Apostolischen Administratoren verwaltet wurden; das Bistum Berlin (das den Ost- und Westteil umfasste) und Görlitz waren direkt dem Hl. Stuhl unterstellt. Allein die Diözese Dresden-Meißen lag ganz auf DDR-Gebiet.

Nachdem der Papst und die römische Kurie die von der Deutschen Bischofskonferenz aufgestellten "Empfehlungen zur ostdeutschen kirchlichen Gebietsreform" übernommen hatten, wurden 1994 entsprechende Staatsverträge zwischen dem Vatikan und den betreffenden Bundesländern unterzeichnet. Seit der Neuordnung gibt es in Deutschland 7 Erzbistümer und 20 Bistümer: Kirchenprovinz Bamberg mit Eichstätt, Speyer, Würzburg; München-Freising mit Augsburg, Regensburg, Passau; Freiburg mit Mainz, Rottenburg-Stuttgart; Paderborn mit Fulda, Erfurt, Magdeburg; Köln mit Aachen, Essen, Münster, Trier, Limburg; Hamburg mit Osnabrück, Hildesheim; Berlin mit Dresden-Meißen, Görlitz.

Wirtschaft

Die Teilung Deutschlands nach 1945 hat dazu geführt, dass in den beiden deutschen Staaten völlig verschiedene Wirtschaftssysteme entstanden. In der Bundesrepublik stand die Wirtschaftsentwicklung im Zeichen der sozialen Marktwirtschaft, verbunden mit einer zunehmenden Integration mit anderen westlichen Staaten, besonders im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft. Demgegenüber wurde die Wirtschaft der DDR auf eine staatlich gelenkte Zentralverwaltungswirtschaft (Planwirtschaft) umgestellt und in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, COMECON) eingebunden. Zudem hatte die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR anfangs unter besonderen Schwierigkeiten zu leiden, vor allem weil eine Grundstoffindustrie fast völlig fehlte und weil bis 1953 umfangreiche Reparationsleistungen zu erfüllen waren. Dennoch erreichte die DDR im Laufe der Zeit einen sehr hohen Industrialisierungsgrad. Unter den Ostblockstaaten wies sie 1988 das höchste Pro-Kopf-Einkommen auf.

Im Zuge der Wiedervereinigung erfolgte eine rasche Umstellung des Wirtschaftssystems in Richtung Marktwirtschaft. Die Angleichung der Wirtschaftskraft der ehemaligen DDR an die der bisherigen Bundesrepublik war mit erheblichen Problemen verbunden. Wegen veralteter Technologien und wenig effektiver betrieblicher Organisationsformen konnten die meisten Betriebe bzw. Kombinate nicht mit westlichen Firmen konkurrieren. Zudem war ein Großteil der traditionellen Absatzmärkte in Osteuropa entfallen. Die Umstellungskrise äußerte sich nicht zuletzt in einem drastischen Ansteigen der Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern.

Landwirtschaft

Deutschland verfügt über eine leistungsfähige Landwirtschaft, die etwa drei Viertel des Inlandsbedarfs an Agrarprodukten deckt. Seit dem Ende des 2. Weltkriegs hat die Landwirtschaft sich tief greifend gewandelt.

In der Bundesrepublik war diese Entwicklung vor allem gekennzeichnet durch die Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft in die Industrie und in Dienstleistungsbetriebe.

Dadurch sank der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen seit 1950 von 20% auf 3%. Mehr als drei Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe gehören einer Genossenschaft an. Moderne Wirtschaftsmethoden und der Ersatz menschlicher und tierischer Arbeitskraft durch Maschinen führten zu großen Produktionserfolgen und Ertragsverbesserungen.

In der DDR wurden die Besitzverhältnisse durch Schaffung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und Volkseigenen Gütern grundlegend verändert. Fast 11% der Erwerbstätigen waren hier 1989 in der Landwirtschaft beschäftigt. Um die stark subventionierte Landwirtschaft der ehemaligen DDR in den europäischen Agrarmarkt zu integrieren, waren drastische Rationalisierungsmaßnahmen und ein spürbarer Abbau von Arbeitskräften erforderlich.

Hauptanbauprodukte in Deutschland sind Brot- und Futtergetreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Gemüse, Obst und Wein. Den äußerst fruchtbaren Lößgebieten (z. B. Magdeburger Börde) mit vorherrschendem Weizen- und Zuckerrübenanbau stehen Landstriche mit eher kargen Böden (z. B. der Nordwesten Deutschlands und die höheren Mittelgebirgslagen) gegenüber, wo die Viehwirtschaft überwiegt. Schwerpunkte der Viehzucht sind die Länder Niedersachsen, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein.

Fast ein Drittel der Landfläche Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Die waldreichsten Länder sind Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg.

Der wichtigste Bereich der Fischerei ist die sog. große Hochseefischerei. Die Fangflotte besteht in erster Linie aus Fabrikschiffen, die den Fang zu Tiefkühlfisch verarbeiten, und zum geringeren Teil aus Frischfischfängern. Die wichtigsten Häfen für die Fischanlandung sind Bremerhaven, Cuxhaven und Rostock. Mehr als ein Drittel des Gesamtergebnisses der Fischerei entfällt auf die kleine Hochsee- und Küstenfischerei. In der Binnenfischerei nahm in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Teichwirtschafts- und Fischzuchtbetriebe zu, während die Zahl der Fluss- und Seenfischereibetriebe aufgrund der Verschmutzung der Flüsse und Seen abgenommen hat.

Industrie

Industrie und Handwerk tragen zusammen gut ein Drittel zur wirtschaftlichen Gesamtleistung bei. Der Rest wird vor allem vom Dienstleistungsbereich einschließlich Handel und Verkehr erwirtschaftet. Die Landwirtschaft spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Bis zum Ende der 1950er Jahre dominierte in der Bundesrepublik die seit jeher in Deutschland stark vertretene Eisen schaffende Industrie in Verbindung mit dem Steinkohlenbergbau. Dann erlangten Erdöl und Erdgas als Energieträger eine immer größere Bedeutung und drängten die Steinkohle zurück. Von diesen Strukturveränderungen waren vor allem das Ruhrgebiet und das Saarland betroffen. Der wichtigste Industriezweig der Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie ist heute die chemische Industrie. Von besonderer Bedeutung sind in Deutschland die Investitionsgüterindustrien, zu denen vor allem Maschinenbau, Straßen- und Luftfahrzeugbau, Schiffbau, die elektrotechnische Industrie sowie die Herstellung von Büromaschinen und Computertechnik gehören. Nach Japan und den USA ist Deutschland der drittgrößte Automobilproduzent der Welt. Die Elektrotechnik gehört zu den Industriebereichen mit einem überdurchschnittlichen Wachstum. Sie verfügt über eine Fülle neuer Technologien, so dass ihr für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung eine Schlüsselfunktion zukommt. Von Bedeutung sind ferner die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie.

In der DDR spielten die reichen Braunkohlenlager eine wichtige Rolle für die Industrie. In zunehmendem Maße wurde jedoch sowjetisches Erdöl als Energieträger und chemischer Grundstoff verwendet. Dadurch erfuhr die chemische Industrie einen besonders starken Aufschwung (Herstellung von Chemiefasern, Kunstdünger, Kraftstoff u. a.). Mangels umweltverträglicher Technologien hat sie zu einer besonders starken Belastung der Umwelt beigetragen. Bis zur Wiedervereinigung waren auch die elektrotechnische, elektronische und optische Industrie (Elektrogeräte aller Art, Büromaschinen, Fotoapparate), der Maschinen- und Fahrzeugbau sowie die Textilindustrie wichtige Industriezweige.

Durch die Umstellung auf die Marktwirtschaft und die Einbindung in den westlichen Markt erfuhr die Industrie eine völlige Umstrukturierung. Ihre Sanierung und Privatisierung war Aufgabe der Treuhandanstalt in Berlin (Ende 1994 aufgelöst). Gleichzeitig wurde die Neuansiedlung von Industriekomplexen gefördert. Ein weiterer Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Industrie konnte aber nicht verhindert werden. Die Industrie konzentriert sich im Gebiet der ehemaligen DDR vor allem auf die Ballungsräume Chemnitz, Halle, Dresden und Leipzig.

Bodenschätze und Energie

Deutschland ist ein ausgesprochen rohstoffarmes Land. Bei der Versorgung mit Rohstoffen und Energiequellen ist es weit gehend auf Einfuhren angewiesen. Bei Bauxit, Mangan, Titan, Rohphosphat und Wolfram ist die Auslandsabhängigkeit besonders groß. In geringen Mengen verfügt Deutschland über Eisen-, Kupfer- und Zinnerz sowie über Erdöl und Erdgas. Nur die Braunkohlen-, Steinkohlen- und Salzlagerstätten sind noch für viele Jahrzehnte abbauwürdig. Die wichtigsten Braunkohlenvorkommen befinden sich im Raum Halle/Leipzig, in der Niederlausitz, im Harzvorland (bei Helmstedt) und in der Niederrheinischen Bucht. Die wichtigsten Steinkohlenreviere sind das rheinisch-westfälische Steinkohlengebiet und das Saarkohlebecken. In Niedersachsen, Schleswig-Holstein, in der Oberrheinischen Tiefebene und in geringem Umfang im Alpenvorland wird Erdöl gefördert. Die Menge deckt den Erdölbedarf Deutschlands jedoch nur zu etwa 5%. Hauptlieferländer sind Großbritannien, Libyen, Russland, Norwegen, Saudi-Arabien, Syrien und Algerien. Die Erdgasvorräte betragen nach der Entdeckung neuer Felder im Emsland, in der Nordsee und bei Salzwedel etwa 380 Mrd. m3. Der steigende Erdgasverbrauch kann zu rund einem Fünftel aus heimischen Quellen, im Übrigen vor allem durch Einfuhr aus Russland, Norwegen und den Niederlanden gedeckt werden.

Der Primärenergieverbrauch beläuft sich in Deutschland auf 484,5 Mio. t Steinkohleeinheiten. Davon entfallen 39,4% auf Mineralöl, 21,3% auf Erdgas, 13,4% auf Steinkohle, 13,1% auf Kernenergie, 10,3% auf Braunkohle und 2,5% auf sonstige Quellen. Gegenwärtig arbeiten 19 Kernreaktoren.

Außenwirtschaft

Die Außenwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle im Wirtschaftsleben Deutschlands, das mit fast 10% am Welthandel beteiligt ist. Deutschland liegt damit an zweiter Stelle nach den USA. Der Außenhandel Deutschlands erzielt seit 1981 z. T. beträchtliche Exportüberschüsse.

Die für den Export wichtigsten Industrieprodukte sind Maschinen aller Art, Kraftfahrzeuge, elektrotechnische und chemische Erzeugnisse, Eisen, Stahl und Nahrungsmittel. Auf der Einfuhrseite haben Fahrzeuge, elektrotechnische und chemische Erzeugnisse, Maschinen, Textilien, Nahrungs- und Genussmittel die größte Bedeutung. Die wichtigsten Handelspartner sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, vor allem Frankreich und Großbritannien, sowie die USA.

Der Außenhandel der DDR war vorwiegend auf die Ostblockstaaten ausgerichtet, auf die etwa 66% des Außenhandelsumsatzes entfielen (Sowjetunion allein 37%). Eine wichtige Rolle spielte für sie auch der innerdeutsche Handel mit der Bundesrepublik, der nach ihrem Staatsverständnis als Außenhandel galt.

Verkehr

Ein leistungsfähiges Verkehrswesen ist in Deutschland wichtiger Bestandteil der Volkswirtschaft und notwendige Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung. Die ständig wachsende Verwendung von Containern aller Art im Güterverkehr führt auch in Deutschland zu einer Verzahnung der verschiedenen Transportmittel. Nach der Wiedervereinigung und mit der Integration der osteuropäischen Länder in den westeuropäischen Markt haben die West-Ost-Verbindungen erheblich an Bedeutung gewonnen. Ihr Ausbau ist für die wirtschaftliche Entwicklung im Osten des Landes außerordentlich wichtig.

Der Straßenverkehr nimmt heute sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr die erste Stelle ein. Die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge stieg in der Bundesrepublik von 1,9 Mio. (1950) auf 50,7 Mio. (2000), davon sind 42,7 Mio. Personenkraftwagen.

Die Länge des Straßennetzes für den überörtlichen Verkehr insgesamt umfasste 1999 230 700 km. Das Autobahnnetz war 1999 11 427 km lang. Deutschland hat das dichteste und nach den USA das längste Autobahnnetz der Welt.

Die Streckenlänge der Eisenbahn beträgt rund 41 800 km. Die Bahn ist vor allem für die Beförderung von Massen- und Stückgütern von erheblicher Bedeutung. Für den Personenverkehr wird das Schnellstreckennetz zunehmend ausgebaut. 1991 wurden die ersten Schnellfahrstrecken (Hannover-Würzburg; Mannheim-Stuttgart) in Betrieb genommen. Sie werden u. a. von dem Hochgeschwindigkeitszug ICE befahren. Die Entlastung des Straßenverkehrsnetzes ist eine wichtige Funktion der Bahn, zumal sie zu den umweltverträglichsten Verkehrsmitteln überhaupt gehört.

Die Binnenschifffahrt stützt sich auf die Stromsysteme von Rhein (mit Neckar, Main und Mosel), Weser, Elbe, Oder, Havel, Saale und auf ein weit verzweigtes Kanalnetz (Rhein-Herne-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal, Mittellandkanal, Elbe-Seiten-Kanal, Oder-Spree-Kanal, Elbe-Havel-Kanal u. a.). Der wirtschaftliche Vorteil der Binnenschifffahrt gegenüber der Eisenbahn liegt in den in der Regel kostengünstigeren Transporten von Massengütern. Der größte Binnenhafen Deutschlands und zugleich der größte Europas ist Duisburg. Andere wichtige Binnenhäfen sind Hamburg, Köln, Mannheim, Ludwigshafen, Frankfurt am Main, Dortmund, Wesseling, Gelsenkirchen, Karlsruhe, Berlin und Magdeburg. Aufgrund seiner geographischen Lage mit Zugang zur Nord- und Ostsee und seiner Wirtschaftskraft hat Deutschland eine starke Stellung in der Seeschifffahrt. Es verfügt über eine Handelsflotte mit rund 7,9 Mio. BRT. Die wichtigsten Seehäfen sind Hamburg, Bremen mit Bremerhaven, Wilhelmshaven, Emden, Brunsbüttel und Brake an der Nordsee sowie Lübeck, Rostock, Puttgarden und Sassnitz an der Ostsee. Der Luftverkehr, der nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland zunächst nur von ausländischen Gesellschaften betrieben werden durfte, hat seit 1955 eine rasche Aufwärtsentwicklung genommen. Zu den wichtigsten Flughäfen gehören Frankfurt am Main, Düsseldorf, München, Hamburg, Stuttgart, Hannover, Leipzig, Köln-Bonn und Berlin (Tegel und Schönefeld).

Geld- und Währungswesen

Das Geld- und Währungswesen in Deutschland wurde vor allem durch die Bankgesetze vom 14. 3. 1875 (durch das die Deutsche Reichsbank gegründet und die Mark-Währung geschaffen wurde) und vom 30. 8. 1924 (durch das die Reichsmark-Währung geschaffen wurde) sowie durch das Reichsbank-Gesetz vom 15. 6. 1939 (das die Reichsbank unmittelbar der Weisungsbefugnis des Reichskanzlers unterstellte) geregelt.

Bis zum Beginn des 1. Weltkriegs hatte Deutschland eine Goldkern-Währung, bei der die umlaufenden Banknoten in Gold und Handelswechseln gedeckt waren, ab 1924 eine Golddevisen-Währung, bei der als Notendeckung auch in Gold einlösbare Auslandswährung zugelassen war. Ab 1933 erhielt die Reichsbank die Befugnis, auf dem Wege der Offenmarktpolitik auch Schatzwechsel zu kaufen, wodurch de facto die Golddeckung der Reichsmark abgeschafft wurde.

Die Indienstnahme der Geldschöpfung durch den Staat (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Rüstung) führte zur Inflation, die ab 1936 durch einen rigoros gehandhabten Preisstopp und - ab Kriegsbeginn 1939 - durch Güterrationierung verdeckt wurde. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Zusammenbruch der staatlichen Kontrollmöglichkeiten bildeten sich schwarze Märkte, auf denen die Reichsmark weit gehend durch Ersatzzahlungsmittel verdrängt wurde. Die Reichsmark wurde durch die Währungsreform 1948 für ungültig erklärt.

In der DDR übte bis 1990 die Staatsbank der DDR (1948-1968 Deutsche Notenbank) die Funktion einer Zentralnotenbank aus. Währungseinheit der DDR war 1948-1964 die Deutsche Mark, 1964-1967 die Mark der Deutschen Notenbank, 1968-1990 die Mark der DDR. Durch die weit gehende Enteignung der Produktionsfaktoren Kapital und Boden lief der Großteil aller wirtschaftlichen Investitionen über den Finanzhaushalt. Die wichtigsten Einnahmequellen des Haushalts der DDR waren neben den Verbrauchsabgaben die bei der volkseigenen Wirtschaft erhobene Produktions- und Dienstleistungsabgabe sowie die Handelsabgabe. Auch der Haushalt der Sozialversicherung war in der DDR, im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland, Bestandteil des Staatshaushalts.

Die Währungs- und Notenbank der Bundesrepublik Deutschland (die seit 1990 ganz Deutschland umfasst) ist die Deutsche Bundesbank. Das Gesetz über die Deutsche Bundesbank von 1957 (1992 neu gefasst) und das Kreditwesengesetz von 1961 (1998 neu gefasst), ferner der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von 1990 ordnen das deutsche Geld- und Kreditsystem. Die Deutsche Bundesbank ist im Rahmen ihrer Befugnisse autonom und von Weisungen der Regierung unabhängig. Währungseinheit ist die Deutsche Mark (DM), mit endgültiger Einführung ab 2002 der Euro.

In Deutschland ist die Finanzmacht zwischen Bund und Ländern aufgeteilt; die Finanzgesetzgebung liegt überwiegend in der Hand des Bundes, während die Finanzverwaltung zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist; die Haupteinnahmen sind die Abgaben, besonders die Steuern. Die wichtigste Einnahmequelle des Bundes ist die Umsatzsteuer, die der Länder die Einkommen- und die Körperschaftsteuer, während die Grund- und die Gewerbesteuer für die Gemeinden von besonderer Bedeutung sind. Die wichtigsten Finanzausgaben sind Soziallasten, Verteidigungsausgaben, Subventionen, Schuldentilgung und -verzinsung.

Geschichte

Der Landesname Deutschland ist entstanden durch allmähliche Bedeutungserweiterung des Wortes deutsch, das - seit dem 8. Jahrhundert belegt - ursprünglich nur die in einem Teil des Frankenreichs gesprochene germanische Sprache bezeichnete. Seit dem 11. Jahrhundert wurde es auf deren Sprecher ("deutsche Leute") und ihre Wohngebiete ("deutsche Lande") übertragen. Die Singularform Deutschland ist erst seit dem 15. Jahrhundert geläufig.

Das Frankenreich, das unter Karl dem Großen seine größte Machtentfaltung erreichte, brach nach dessen Tod (814) bald auseinander. Im Laufe mehrerer Erbteilungen entstanden ein West- und ein Ostreich, wobei die politische Grenze annähernd mit der Sprachgrenze zwischen Germanisch und Romanisch zusammenfiel. Mit diesem Zerfall des Frankenreichs, und zwar in seinem östlichen Teil, beginnt die eigentliche deutsche Geschichte.

Früh- und Hochmittelalter

Der Übergang vom ostfränkischen zum deutschen Reich manifestierte sich bei der Königswahl Konrads I. (911-918). Unter dem Zwang der Abwehr von Slawen, Normannen, Dänen und Ungarn hatten sich weit gehend selbständige Stammesherzogtümer entwickelt (in Bayern, Sachsen, Franken, Schwaben und Lothringen), gegen die sein Königtum sich nicht durchzusetzen vermochte. Mehr Erfolg hatte Heinrich I. (919-936). Er setzte seine Oberhoheit durch, gewann 925 Lothringen zurück, siegte über die Ungarn (933) und sicherte das Reich durch Marken und Burganlagen. Sein Sohn Otto I. (936-973) ließ sich nach der Unterwerfung der Slawen bis zur Oder (955), der Unterwerfung Böhmens (950) und später (963) auch Polens, der Übernahme der langobardischen Königswürde Italiens (951) und der endgültigen Beseitigung der Ungarngefahr (955) zum Kaiser (962) krönen. Das neue Kaiserreich entstand im Zeichen einer Oberhoheit über das Papsttum und begründete eine 300-jährige deutsche Herrschaft in Ober- und Mittelitalien. Unter Otto II. (973-983) ging durch einen großen Slawenaufstand die Herrschaft über alle ostelbischen Gebiete wieder verloren. Otto III. (983-1002) strebte in Weiterführung väterlicher Pläne, aber ebenfalls vergeblich, eine christlich-römische Universalmonarchie an. Erst Heinrich II. (1002-1024), der letzte Sachsenkaiser, und die ersten Salier, Konrad II. (1024-1039) und Heinrich III. (1039-1056) vermochten, gestützt auf Reichskirche und Ministerialität, das Reich wieder zu festigen: Rückgewinnung Böhmens (1004/1041) und der Lausitz (1031); Lehnshoheit über Polen (1013) und Ungarn (1044); Erwerb Burgunds (1033). Unter Heinrich III. stand das deutsche König- und Kaisertum auf dem Höhepunkt der Macht. Er vereinte weltliche und geistliche Autorität in seiner Person und war den kirchlichen Reformideen von Cluny und Gorze zugetan. Der Kampf um das Verhältnis der beiden obersten Gewalten wurde zwischen Heinrich IV. (1056-1106) und Papst Gregor VII. im Investiturstreit ausgetragen. Durch Heinrichs Bannung und Unterwerfung unter den Papst (Bußgang nach Canossa) erfuhr das deutsche Königtum eine entscheidende Rangeinbuße. Heinrich IV. war der erste deutsche König, während dessen Regierungszeit ein Gegenkönig erhoben wurde. Dabei wurde erstmals in der deutschen Geschichte ein Wahlrecht der Fürsten in Anspruch genommen und praktiziert. Der Investiturstreit wurde beigelegt durch das Wormser Konkordat (1122). Der Kompromiss führte zum Zusammenbruch der Reichskirchenverfassung (die Bischöfe, die bisher Reichsbeamte gewesen waren, wurden nun geistliche Territorialherren). Nach dem Aussterben der Salier mit Heinrich V. (1106-1125) setzte sich das Wahlrecht vollends durch. Unter Lothar III. von Supplinburg (1125-1137) setzte die Ostsiedlung ein. Mit Konrad III. (1138-1152) begann für mehr als ein Jahrhundert die Herrschaft der Staufer und der Kampf mit den Welfen und ihrem mächtigsten Vertreter, Heinrich dem Löwen. Unter Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) verlor Heinrich 1180 seine Herzogtümer. Bayern kam damals an die Wittelsbacher (bis 1918). Im Norden und Osten, wo seit 1163 in Schlesien ebenfalls die deutsche Siedlung begonnen hatte, ging der deutsche Einfluss zurück. Friedrich sicherte sich durch Heirat Burgund. Nach langen Kämpfen mit dem Papst kam es zu einem Ausgleich (Friede von Venedig 1177). Die Hoheit des Reichs über die lombardischen Städte blieb im Frieden von Konstanz 1183 erhalten. Heinrich IV. (1190-1197), durch Heirat auch König von Sizilien, errang eine immense Machtfülle (Lehnshoheit über England, Zypern und Armenien). Sein früher Tod stürzte das Reich in langjährige Wirren (Doppelwahl: Philipp von Schwaben und Otto IV.). Innozenz III. unterstützte zunächst Otto IV. (1198-1218). Als der Welfe jedoch die staufische Italienpolitik wieder aufnahm, ließ der Papst Friedrich II. zum Gegenkönig wählen, der nach der Niederlage Ottos bei Bouvines (1214) in Deutschland allgemein anerkannt wurde. Friedrichs II. (1212-1250) Politik basierte auf dem nach normannischer Tradition straff organisierten Beamtenstaat Sizilien. In Deutschland überließ Friedrich wesentliche Regalien den geistlichen und weltlichen Fürsten (1220 bzw. 1231/32). 1226 gestattete er dem Deutschen Orden die Errichtung einer Landeshoheit in Preußen. 1227 schlugen die norddeutschen Fürsten bei Bornhöved den dänischen König Waldemar II. und erzwangen die Rückgabe der Küstengebiete jenseits von Elbe und Elde. Imperial gesehen war die Stellung Friedrichs, der bei dem von ihm geführten 5. Kreuzzug noch die Krone des Königreichs Jerusalem errang, auch in Deutschland unangefochten, wo er seinen Sohn Heinrich (VII.) als König eingesetzt hatte. Nur gegen das Papsttum blieb ein letzter Erfolg aus. Mit seinen schwachen Nachfahren Konrad IV. (1237/1250-1254), Manfred (1258-1266) und Konradin († 1268) endete die staufische Herrschaft.Spätmittelalter und Frühe Neuzeit

Es folgte eine Zeit des Gegen- und Doppelkönigtums, Interregnum genannt. Bedeutsam wurde das zu dieser Zeit sich durchsetzende alleinige Königswahlrecht der Kurfürsten. Die Wahl Rudolfs von Habsburg (1273-1291) beendete das Interregnum. Seine Hausmachtspolitik brachte ihm Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain ein. Der Luxemburger Heinrich VII. (1308-1313) begründete durch Einziehung Böhmens die luxemburgische Hausmacht. Der Wittelsbacher Ludwig der Bayer (1314-1347) gewann die Mark Brandenburg und ließ sich zum Kaiser krönen. Das Königswahlrecht wurde endgültig durch die Goldene Bulle Karls IV. von 1356 gegen die Kurie zugunsten der Kurfürsten entschieden. Auch die Städte hatten dank ihrer wirtschaftlichen Macht an Einfluss gewonnen. Die Hanse errang 1370 im Stralsunder Frieden die Vormachtstellung im Ostseeraum. Unter Karl IV. (1346-1378) wurde Böhmen zum Kernland des Reichs. Sigismund (1410-1437) übertrug die Mark Brandenburg Friedrich VI. (I.) von Hohenzollern. Sachsen (-Wittenberg) ging an den Wettiner Friedrich den Streitbaren. Sigismund, 1433 zum Kaiser gekrönt, berief die Reformkonzilien von Konstanz und Basel ein, die das Schisma beseitigten. Die Hussitenkriege schwächten die Königsmacht. Durch Albrecht II. (1438-1439) wurden die Habsburger die stärkste Macht im Reich. Friedrich III. (1440-1493), 1452 als letzter Kaiser vom Papst in Rom gekrönt, konnte die Macht seines Hauses mehren (Erb- und Heiratsverträge mit Burgund, Böhmen und Ungarn).

1460 wurden Schleswig und Holstein in Personalunion mit Dänemark vereinigt (bis 1863). 1466 verlor der Deutsche Orden Pommerellen, das Kulmerland und das Ermland an Polen und musste für den restlichen Ordensstaat (Preußen) die polnische Oberhoheit anerkennen. Maximilian I. (1493-1519), durch seine Ehe mit Maria von Burgund († 1482) auch im Besitz der Niederlande und der Freigrafschaft Burgund, schritt zur überfälligen Reichsreform. Im Innern begann sich das Reich zu einem dualistischen Ständestaat zu entwickeln, in dem sich das Reichsoberhaupt und die Reichsstände gegenüberstanden, die eine monarchische Führung verhinderten. Die Städte entwickelten sich zu Zentren wirtschaftlicher Macht. Das mittelalterliche Handels- und Wirtschaftssystem wurde durch den Frühkapitalismus abgelöst. Mit dem politischen und wirtschaftlichen Wandel ging ein geistiger einher, gekennzeichnet durch Renaissance und Humanismus.Zeitalter der Reformation und der Gegenreformation

Alle Unzufriedenheit mit der Kirche und die Glaubensnot des Volks kam zum Ausbruch in der Reformation. Unter Karl V. (1519-1556) konnte sie sich stark ausbreiten. Karl, gegen den französischen Monarchen Franz I. zum deutschen König gewählt, war durch Erbschaft (der Niederlande und Burgunds, Spaniens mit Neapel und den überseeischen Besitzungen, eines Teils der habsburgischen Lande) und nach dem Anspruch noch einmal ein universaler Kaiser. 1521/22 überließ er die habsburgischen Erblande seinem Bruder Ferdinand, der Böhmen und Ungarn erbte. Religiöse Schriften Luthers wirkten befeuernd auf den Ritterkrieg Franz von Sickingens 1522/23 wie auf den Bauernkrieg von 1525. Beide wurden von den Fürsten niedergeschlagen. Sie wurden auch die Hauptnutznießer der Reformation (Landeskirchentum). 1525 wurde der Ordensstaat Preußen weltliches Herzogtum. Die lutherischen Reichsstände, fast alle im Schmalkaldischen Bund seit 1531 zusammengeschlossen, wurden 1546/47 vom Kaiser geschlagen, erlangten aber im Augsburger Religionsfrieden 1555 die Anerkennung der Gleichberechtigung ihrer Konfession. 1555/56 dankte Karl V. resigniert ab, und es kam zu einer Teilung des habsburgischen Weltreichs. Kaiser wurde mit den habsburgischen Erblanden Ferdinand I. (1556-1564). Das Reich Ferdinands und seiner Nachfolger war schwach und politisch unbedeutend; die Reformation machte weitere Fortschritte. Nur West- und Süd-Deutschland blieben überwiegend katholisch. Der schroffe Gegensatz zwischen den Konfessionen wurde durch die Gegenreformation noch verschärft und führte schließlich zum Dreißigjährigen Krieg. Brandenburg gewann 1614 nach dem Jülich-Cleveschen Erbfolgestreit Cleve, Mark und Ravensberg und 1618 Preußen. Der Dreißigjährige Krieg wurde aus einem deutschen Religionskrieg zu einem europäischen Machtkampf gegen das Haus Habsburg. Der Westfälische Friede (1648), der die konfessionelle Spaltung Deutschlands besiegelte, sicherte in politischer Hinsicht auf Kosten der kaiserlichen Zentralgewalt die Mitbestimmung der Reichsstände.

Zeitalter des Absolutismus

Das Reich versank in einen Zustand politischer Ohnmacht, aus dem es auch durch verschiedene Reformversuche (Rheinbund 1658; Reichskriegsordnung 1661) nicht mehr herausfinden konnte. Die Einzelstaaten übernahmen den Absolutismus des französischen Königs und erstarkten auch wirtschaftlich durch den Merkantilismus (Bayern, Sachsen, Brandenburg und Hannover). Nach der Rettung Wiens vor den Türken 1683, durch den Erwerb Ungarns und die erfolgreiche Verteidigung der Westgrenze des Reichs erstarkte Österreich unter Kaiser Leopold I. (1658-1705) zur führenden Großmacht Europas. Preußen wurde unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640-1688), König Friedrich I. (1688-1713, König seit 1701), König Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) und besonders unter Friedrich dem Großen (1740-1786) durch die Erwerbung Schlesiens (Schlesische Kriege 1740-1742 und 1744/45; Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-1748, Siebenjähriger Krieg 1756-1763) zweite deutsche Großmacht. Die Gebietsgewinne aus den Polnischen Teilungen (1772, 1773 und 1795) ließen sowohl Österreich wie Preußen aus dem Reich herauswachsen. Auf dieser Grundlage entwickelte sich der preußisch-österreichische Dualismus, der 1866 mit der Niederlage Österreichs endete. Die Regierungen Friedrichs des Großen, Maria Theresias (1740-1780) und Josephs II. (1765-1790) verwirklichten einen aufgeklärten Absolutismus, womit sie zum Vorbild zahlreicher anderer deutscher Staaten wurden.

Vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Deutschen Bund

Der Vormarsch der französischen Revolutionsarmeen nach der Kanonade von Valmy (1792) veranlasste Preußen 1795 zum Separatfrieden von Basel, mit dem das linke Rheinufer Frankreich ausgeliefert wurde. Die Durchführung seiner Bestimmungen durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 leitete das Ende des Römisch-Deutschen Reichs ein. Die Bildung des Rheinbunds 1806 und die Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. vollendeten diesen Prozess. In Norddeutschland bildete Napoleon für seinen Bruder Jérôme das Königreich Westfalen. Die Wendung nach Napoleons Niederlage in Russland 1812 war vorbereitet worden durch die inneren Reformen des Freiherrn vom Stein und des Fürsten Hardenberg in Preußen sowie durch die preußische Heeresreform A. Graf N. von Gneisenaus und G. von Scharnhorsts. Unter Führung Hardenbergs und Metternichs gelang in den Befreiungskriegen die Befreiung Deutschlands von der französischen Vorherrschaft. Die Regelungen des Wiener Kongresses 1815 erfüllten die Hoffnung der Deutschen auf Bildung eines eigenen Nationalstaats durch die Gründung des Deutschen Bundes nur unvollkommen. In Preußen, Österreich, den übrigen deutschen Staaten und im Bund war die Politik der nächsten Jahrzehnte durch den Gegensatz der konservativen Staatsmacht (System Metternich) gegen die nationalen und liberalen Tendenzen der Zeit charakterisiert (Restauration). In Auswirkung der französischen Julirevolution von 1830 (Junges Deutschland) entstanden Verfassungen in Sachsen, Hannover und Kurhessen. Die Aufhebung der Hannoverschen Verfassung 1837 führte zur Vertreibung der protestierenden Göttinger Sieben. Aus der Märzrevolution (1848) hervorgegangen, stellte sich die Frankfurter Nationalversammlung (Paulskirche) die Aufgabe, das Reich in einer bürgerlich-liberalen, bundesstaatlichen Verfassung zu erneuern. Der Versuch scheiterte. Es kam zum Bruch zwischen der großdeutschen und der kleindeutschen Richtung. Die auch sonst zersplitterten liberalen Kräfte konnten sich gegen die herrschenden konservativen Mächte nicht durchsetzen. Der Deutsche Bund wurde wiederhergestellt. Bismarck machte sich die Lösung des preußisch-österreichischen Dualismus zur Aufgabe. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 kam es 1866 zum Deutschen Krieg. Österreichs Niederlage bei Königgrätz hatte im Frieden von Prag die Auflösung des Deutschen Bunds und das Ausscheiden Österreichs aus dem deutschen Staatenverband zur Folge.

Norddeutscher Bund und Deutsches Reich

Preußen gründete den Norddeutschen Bund, in dem, mit dem preußischen Ministerpräsidenten Bismarck als Bundeskanzler, zum ersten Mal ein Teil Deutschlands auf bundesstaatlich-konstitutioneller Basis vereinigt war. Die Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen für den spanischen Thron führte zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Nach dem Sieg über Frankreich und dem Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund wurde am 18. 1. 1871 in Versailles der preußische König Wilhelm I. (1861-1888) zum "Deutschen Kaiser" ausgerufen und damit das Deutsche Reich gegründet. Der Friede von Frankfurt von 1871 erzwang von Frankreich die Abtretung von Elsass und Lothringen. Das neue Reich, das wirtschaftlich einen gewaltigen Aufschwung nahm, geriet jedoch bald innenpolitisch in eine Krise: Kampf gegen katholische Kirche und Sozialdemokratie (Kulturkampf 1872-1878, Sozialistengesetz 1878). Bismarck betrieb eine konsequente Friedens- und Bündnispolitik unter Isolierung Frankreichs (Zweibund 1879; Dreibund 1882; Rückversicherungsvertrag und Mittelmeerdreibund 1887). Das Bismarck'sche System geriet mit der Entlassung des Kanzlers 1890 durch Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) ins Wanken. Die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrags beantwortete Russland mit einem Bündnis mit Frankreich. Eine Annäherung an England wurde erschwert durch den Bau der Hochseeflotte durch A. von Tirpitz. Die Annäherung Englands an Frankreich und Russland wurde gefördert durch die deutsche Marokkopolitik (Marokkokrisen). Der Versuch einer direkten Verständigung mit England über den Flottenbau (1912) misslang. Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo führte zur Julikrise 1914. Durch vorbehaltlose Unterstützung der Politik Österreichs gegenüber Serbien trug Deutschland Mitverantwortung für den Ausbruch des Krieges (Weltkrieg 1914-1918). Deutschland war dem Mehrfrontenkrieg nicht gewachsen. Die Oberste Heeresleitung (P. von Hindenburg, E. Ludendorff), die lange Zeit einen Verständigungsfrieden abgelehnt hatte, forderte im September 1918 abrupt einen sofortigen Waffenstillstand. Dem militärischen Zusammenbruch folgte die Novemberrevolution; Deutschland wurde Republik.

Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik

Die Macht lag zunächst in den Händen sozialdemokratischer Politiker (F. Ebert, P. Scheidemann u. a.), die ihre Hauptaufgabe darin sahen, einen geordneten Übergang von der alten zur neuen Staatsform zu sichern. Versuche linksradikaler Gruppen, die Revolution in sozialistischer Richtung weiterzutreiben, wurden abgewehrt. Die im Januar 1919 gewählte, in Weimar tagende Nationalversammlung schuf mit einer neuen Reichsverfassung die Grundlagen für die Weimarer Republik. Der Versailler Vertrag (1919) entmachtete Deutschland militärisch, zwang es zur Abtretung großer Gebiete und legte ihm mit den Reparationen schwere wirtschaftliche Lasten auf. Trotz der Annäherung an die Sowjetunion (Rapallovertrag 1922) sah sich Deutschland politisch-militärisch bedroht durch Frankreich sowie durch seine anfängliche Nichtzulassung zum Völkerbund. Erst der Locarno-Vertrag 1925 brachte eine Entspannung zwischen Deutschland und Frankreich. Daraufhin konnte Deutschland 1926 dem Völkerbund beitreten. Ziel der von G. Stresemann geprägten deutschen Außenpolitik war eine friedliche Revision des Versailler Vertrags.

Im Innern waren die ersten Jahre der Weimarer Republik gekennzeichnet durch Inflation, Wirtschaftskrise, soziale Unruhen und Umsturzversuche radikaler Rechts- und Linksgruppen. Bereits 1920 verloren die Parteien, die sich uneingeschränkt zur republikanischen Staatsform bekannten ("Weimarer Koalition" aus SPD, DDP und Zentrum), die Mehrheit im Reichstag. Eine kurze Periode relativer Stabilität 1924-1929 endete mit der Weltwirtschaftskrise und der damit einsetzenden Massenarbeitslosigkeit. Seit 1930 gewann die von A. Hitler geführte NSDAP sprunghaft an Wählerstimmen; 1932 wurde sie stärkste Partei im Reichstag. Da sie auf keine entschlossene Gegenwehr der demokratischen Kräfte stieß und Unterstützung von konservativer Seite erhielt, konnte sie die Macht erringen.

Deutschland unter der Herrschaft des Nationalsozialismus

Am 30. 1. 1933 wurde Hitler vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Er entledigte sich rasch seiner konservativen Bundesgenossen, sicherte sich durch ein Ermächtigungsgesetz nahezu unbegrenzte Befugnisse und verbot alle Parteien außer der eigenen. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, die Grundrechte praktisch außer Kraft gesetzt, die Pressefreiheit aufgehoben. Gegen missliebige Personen ging das Regime mit rücksichtslosem Terror vor; sie wurden ohne Gerichtsverfahren in Konzentrationslagern eingekerkert. Sofort nach der Machtergreifung nahm Hitler die Verwirklichung seines antisemitischen Programms in Angriff; es begann mit der allmählichen Entrechtung der deutschen Juden und endete mit der Ermordung von 6 Mio. Juden aus Deutschland und allen besetzten europäischen Ländern während des Krieges. Beim Tode Hindenburgs 1934 vereinigte Hitler in seiner Person das Kanzler- und das Präsidentenamt; damit wurde er Oberster Befehlshaber der Wehrmacht.

Bei großen Teilen der Bevölkerung fand Hitler Zustimmung durch seine Propagandathese von der "Volksgemeinschaft" und vor allem durch die rasche Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Gestärkt wurde seine Stellung durch außenpolitische Erfolge: 1933 Reichskonkordat mit dem Vatikan, Austritt aus dem Völkerbund, 1934 Nichtangriffspakt mit Polen, 1935 deutsch-englisches Flottenabkommen. Rückkehr des Saarlands zum Reich und Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, 1936 Rheinlandbesetzung, 1938 Anschluss Österreichs und des Sudetenlands. Vor allem Großbritannien kam ihm hierbei mit seiner Appeasement-Politik weit entgegen. Der deutsche Überfall auf die Tschechoslowakei 1939 bewirkte eine Wende in der Haltung der Westmächte. Am 1. 9. 1939 eröffnete Hitler mit einem Angriff den schon lange geplanten Krieg gegen Polen, der sich zum 2. Weltkrieg ausweitete (Weltkrieg 1939-1945).

Nach deutschen Siegen über Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland und erfolgreichem Vordringen in der Sowjetunion und in Nordafrika kam es 1942 zur Wende des Krieges und zu Rückzügen an allen Fronten. Am 20. 7. 1944 scheiterte ein vornehmlich von Offizieren getragener Aufstand; ein Bombenattentat gegen Hitler schlug fehl. Der Krieg wurde bis zum völligen Zusammenbruch des Reiches fortgesetzt. Am 30. 4. 1945 beging Hitler Selbstmord. Der von ihm testamentarisch bestimmte Nachfolger K. Dönitz ließ am 7. und 8. 5. 1945 die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht vollziehen.

Das geteilte Deutschland

Die vier Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt. Deutschland wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt, während Berlin von den vier Mächten gemeinsam besetzt und verwaltet wurde. Die Oberbefehlshaber der vier Zonen bildeten den Alliierten Kontrollrat.

Die Potsdamer Konferenz der Regierungschefs der USA, der UdSSR und Großbritanniens im Juli/August 1945 billigte die Unterstellung der Ostgebiete des Deutschen Reiches unter polnische und sowjetische Verwaltung und die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten, der Tschechoslowakei und Ungarn. Die Festlegung der Grenzen Deutschlands sollte jedoch Sache einer späteren Friedensregelung sein.

Wegen der sich rasch verschärfenden Differenzen zwischen den Siegermächten war der Alliierte Kontrollrat auf die Dauer nicht arbeitsfähig. Eine einheitliche Besatzungspolitik kam nicht zustande. Während die Wiederherstellung des politischen und wirtschaftlichen Lebens in den drei westlichen Zonen nur langsam in Gang kam, betrieb die UdSSR in ihrer Zone eine Politik der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umgestaltung im Sinne ihrer eigenen Gesellschaftsordnung. Durch erzwungene Vereinigung der SPD mit der KPD wurde die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) gegründet, die fortan - nach der Besatzungsmacht - die bestimmende politische Kraft war. 1947 wurden die Wirtschaftsverwaltungen der amerikanischen und der britischen Zone zusammengelegt (Bizone); die Londoner Sechsmächte-Konferenz 1948 empfahl die Bildung eines provisorischen Staatswesens aus den drei Westzonen als Antwort auf die zunehmende Separation der Sowjetzone durch die UdSSR. Die Spaltung Deutschlands wurde zum ersten Mal deutlich in der getrennten Währungsreform 1948. Im Zusammenhang damit kam es auch zur Spaltung Berlins und zu der zehnmonatigen Blockade Westberlins durch die UdSSR 1948/49. Die Westmächte beriefen in ihren Zonen einen Parlamentarischen Rat nach Bonn. Dieser verabschiedete 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. In der sowjetischen Zone beschloss der von der SED beherrschte Deutsche Volkskongress die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Beide Dokumente erhoben gesamtdeutschen Anspruch. Die Teilung Deutschlands wurde besiegelt mit der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland am 7. 9. 1949 aufgrund der Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag und der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. 10. 1949, nachdem sich der vom Volkskongress gebildete Deutsche Volksrat als Provisorische Volkskammer konstituiert hatte.

Die Wiedervereinigung Deutschlands blieb zunächst das öffentlich proklamierte Ziel beider Staaten, doch die innen- und außenpolitischen Gegensätze waren unüberbrückbar. Die Einbeziehung der beiden Staaten in die Bündnissysteme der jeweiligen Schutzmächte fand ihren Abschluss 1955 in dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO und dem Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt.

Um die Massenflucht von DDR-Bewohnern in die Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden, errichtete die Regierung der DDR seit 1952 entlang der Zonengrenze umfangreiche Sperranlagen. Flüchtlinge hatten aber noch die Möglichkeit, über Ostberlin ungehindert nach Westberlin und von dort in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen. Dieser Fluchtweg wurde am 13. 8. 1961 durch den Bau der Berliner Mauer abgeschnitten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren rund 3,5 Mio. Menschen aus der Sowjetzone bzw. DDR nach Westen geflüchtet.

Der Mauerbau machte deutlich, dass auf absehbare Zeit mit einer Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu rechnen war. 1970 nahm die Bundesregierung unter W. Brandt erstmals Kontakte auf Regierungsebene mit der DDR auf. 1972 wurde der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR" (Grundvertrag) geschlossen. Die beiden Staaten verpflichteten sich, gutnachbarliche Beziehungen zu entwickeln, auf Gewaltanwendung zu verzichten und die Unabhängigkeit und Selbständigkeit in inneren und äußeren Angelegenheiten gegenseitig zu respektieren. Jeder der beiden Staaten richtete am Regierungssitz des anderen eine Ständige Vertretung ein. Die Bundesrepublik Deutschland lehnte es jedoch ab, die DDR völkerrechtlich als Ausland anzuerkennen.

Der Grundvertrag und andere Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten brachten menschliche Erleichterungen auf verschiedenen Gebieten. Die grundlegenden Gegensätze blieben jedoch bestehen. Um neu erwachten Hoffnungen auf Wiedervereinigung bei der eigenen Bevölkerung zu begegnen, betrieb die DDR eine Politik strikter "Abgrenzung" und entfernte 1974 aus ihrer Verfassung alle Hinweise auf den Fortbestand der deutschen Nation. Konsequent bestritt sie das Bestehen besonderer Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten; insbesondere forderte sie wiederholt die Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft durch die Bundesrepublik.

Die Bundesrepublik Deutschland

Nach der ersten Bundestagswahl 1949 bildete K. Adenauer als Bundeskanzler eine Koalitonsregierung aus CDU/CSU, FDP und der rechts stehenden Deutschen Partei. Diese Konstellation - CDU/CSU mit einem oder zwei kleineren Partnern an der Regierung, SPD in der Opposition - bestimmte die politische Landschaft der Bundesrepublik bis 1966. Kernpunkte der Regierungspolitik waren marktwirtschaftliche Orientierung und Integration in das System des Westens. Gefördert durch den Marshallplan, ging der wirtschaftliche Wiederaufbau rasch voran. Parallel verlief die politische und auch militärische Einbeziehung in die westliche Gemeinschaft. 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen und erhielt gleichzeitig ihre Souveränität zurück. 1957 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

Im Vordergrund der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland stand das gute Verhältnis zu den USA und zu Frankreich. 1963 wurde ein Freundschaftsvertrag mit Frankreich geschlossen. Eine Wiedergutmachung der durch die nationalsozialistische Judenverfolgung verursachten materiellen Schäden wurde 1952 durch ein Abkommen mit Israel geregelt. Die innere Entwicklung der Bundesrepublik war gekennzeichnet durch einen fast kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung, Vollbeschäftigung, wachsende soziale Stabilisierung und Konzentration auf wenige Parteien. Unter Adenauers Nachfolger L. Erhard (seit 1963) kam es 1966 zu einer wirtschaftlichen Rezession. Die damit verbundenen Differenzen im Regierungslager nötigten Erhard zum Rücktritt. Es wurde eine Regierung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzler K. G. Kiesinger gebildet, die die Rezession rasch überwand. 1968 verabschiedete sie verfassungsändernde Notstandsgesetze, gegen die sich eine linke "außerparlamentarische Opposition" formierte.

Nach der Bundestagswahl 1969 bildeten SPD und FDP, die zusammen eine schwache Mehrheit besaßen, eine Regierung unter W. Brandt. Diese erstrebte eine Normalisierung des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarn, was insbesondere die Unverletzlichkeit der durch den 2. Weltkrieg geschaffenen Grenzen einschloss. Sie schloss 1970 entsprechende Verträge mit der UdSSR und Polen, wodurch gleichzeitig der Abschluss des Viermächteabkommens über Berlin ermöglicht wurde, und suchte ein "geregeltes Nebeneinander" mit der DDR herzustellen. 1973 traten die beiden deutschen Staaten gleichzeitig den Vereinten Nationen bei. Im Innern suchte die Regierung Brandt ein umfassendes Reformprogramm zu verwirklichen, besonders im Bildungswesen, in der betrieblichen Mitbestimmung und bei der sozialen Sicherheit.

1974 trat Brandt zurück, weil sich herausstellte, dass ein enger Mitarbeiter im Dienst der DDR-Spionage gestanden hatte. Neuer Bundeskanzler wurde H. Schmidt, der die sozialliberale Koalition auch nach den Wahlen von 1976 und 1980 fortführte. Die Auswirkungen der 1973 einsetzenden Wirtschaftskrise machten sich immer stärker auch in der Bundesrepublik bemerkbar. Seit 1974 stieg die Zahl der Arbeitslosen stark an; sie überschritt 1982 die Zweimillionengrenze. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte stieß auf zunehmende Schwierigkeiten. Reformvorhaben mussten beschnitten werden. Vor allem in der jungen Generation verbreitete sich eine ablehnende Einstellung gegenüber dem Staat und den "etablierten" Parteien ("Staatsverdrossenheit"). Neue Bewegungen für radikalen Umweltschutz und "alternative" Lebensformen fanden viele Anhänger.

1982 zerbrach die Regierungskoalition. Die FDP-Fraktion stimmte mehrheitlich für ein von der CDU/CSU eingebrachtes, konstruktives Misstrauensvotum gegen Schmidt, das Erfolg hatte. Neuer Bundeskanzler wurde der CDU-Vorsitzende H. Kohl. Er bildete eine Regierung aus CDU/CSU und FDP, die Haushaltseinsparungen vornahm und die private Investitionstätigkeit anzuregen suchte. Vorgezogene Bundestagswahlen 1983 sicherten den Bestand der neuen Koalition, die auch nach den Wahlen von 1987 fortgeführt werden konnte. Eine beträchtliche Belebung der Wirtschaft war zu verzeichnen, viele neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, dennoch blieb die Arbeitslosenzahl hoch.

Seit 1983 war im Bundestag - wie vorher schon in mehreren Landesparlamenten - die neue Partei der "Grünen" vertreten. Das bisherige Dreiparteiensystem war damit außer Kraft gesetzt. Auf Landesebene kam es mehrfach zu Koalitionen der SPD mit den Grünen.

Die Deutsche Demokratische Republik

In der sowjetischen Zone war schon vor 1949 eine gesellschaftliche Umgestaltung nach sowjetischem Vorbild eingeleitet worden. Die SED war bereits im Besitz aller Machtpositionen. Nach der Staatsgründung wurden zunächst die äußeren Formen der parlamentarischen Demokratie und des föderativen Staatsaufbaus gewahrt. 1952 wurden die fünf Länder aufgehoben und an ihrer Stelle 14 Bezirke geschaffen. Gleichzeitig proklamierte die SED den "Aufbau der Grundlagen des Sozialismus", der mit verschärfter Repression und verschlechterten Lebensbedingungen einherging. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung führte am 17. 6. 1953 zu einem spontanen Aufstand, der von der Sowjetarmee niedergeschlagen wurde. Nach vorübergehender Lockerung wurde die Parteiherrschaft wieder gestrafft. Die Verstaatlichung der Industrie wurde in den 1950er Jahren, die Kollektivierung der Landwirtschaft 1960 abgeschlossen. Eine anhaltende Fluchtbewegung schwächte die Wirtschaft. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 trat eine gewisse Konsolidierung ein.

1954 wurde die DDR von der UdSSR für souverän erklärt. Mehrere Verträge zwischen DDR und UdSSR folgten, zuletzt 1975 ein Freundschafts- und Beistandspakt auf 20 Jahre. 1968 gab sich die DDR eine neue Verfassung, in der erstmals die SED als "führende Kraft" erwähnt wurde. Die neben der SED bestehenden vier "Blockparteien" waren politisch völlig einflusslos. Das Politbüro der SED war die eigentliche Regierung der DDR. Auch auf regionaler und örtlicher Ebene waren die Staatsorgane den Parteiorganen untergeordnet. Die Justiz war gleichfalls an Parteiweisungen gebunden. Der Staatssicherheitsdienst ("Stasi") unterhielt ein alle Lebensbereiche umfassendes Überwachungssystem.

Maßgebender Politiker der DDR war von Anfang an W. Ulbricht, der seit 1950 als Generalsekretär (seit 1953 Erster Sekretär) an der Spitze der SED, seit 1960 als Vorsitzender des Staatsrates auch formell an der Spitze des Staates stand. 1971 wurde er wegen politisch-ideologischen Eigenmächtigkeiten vom Politbüro mit sowjetischer Rückendeckung zum Rücktritt genötigt. Der neue Parteichef E. Honecker, der 1976 auch den Staatsratsvorsitz übernahm, bemühte sich um eine Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Bevölkerung und gewährte auch im kulturellen Leben größeren Spielraum, ohne jedoch das Machtmonopol der SED anzutasten .

Die 1973 einsetzende Weltwirtschaftskrise wirkte sich auch auf die DDR aus. Seit Mitte der 1970er Jahre verschlechterte sich die Versorgung mit Konsumgütern fühlbar, und die Entwicklung des Lebensstandards stagnierte. Der Rückstand gegenüber der Bundesrepublik nahm immer mehr zu. Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) bildeten sich Ansätze einer Bürgerrechtsbewegung, die vor allem Gewährung des Rechts auf Freizügigkeit forderte. Kritische Stimmen kamen besonders aus Kreisen der Intellektuellen. Zahlreiche Bürger beantragten die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Seit Anfang der 1980er Jahre gab die Regierung in einem gewissen Umfang solchen Anträgen statt, um kritischen Strömungen die Wortführer zu nehmen. Die meisten Anträge wurden jedoch abgelehnt.

Die Wiedervereinigung

Die Missstimmung in der DDR verstärkte sich, u. a. deshalb, weil die SED-Führung eine Reformpolitik ablehnte, wie sie M. Gorbatschow seit 1985 in der UdSSR betrieb. Kritik am Herrschaftssystem wurde immer offener geäußert. Als Ungarn im Sommer 1989 die Grenze zu Österreich öffnete, begann eine Massenflucht von DDR-Bürgern über Ungarn in die Bundesrepublik. In den Großstädten kam es zu Massendemonstrationen für Demokratie, Reise- und Meinungsfreiheit. Eine tiefe politische, wirtschaftliche und moralische Krise des SED-Regimes wurde sichtbar. Im Herbst 1989 vollzog sich in der DDR eine gewaltlose Revolution. Honecker wurde vom Politbüro gestürzt. Sein nur sieben Wochen amtierender Nachfolger E. Krenz vermochte das Regime nicht zu retten, obwohl alle Reisebeschränkungen aufgehoben wurden (Öffnung der Berliner Mauer am 9. 11.) und die neue Regierung unter H. Modrow eine "demokratische Erneuerung" versprach. Die SED verzichtete auf ihren Führungsanspruch und nannte sich fortan "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS). Die Blockparteien verselbständigten sich, und die bisher illegalen oppositionellen Gruppen erhielten politische Mitsprache.

Die Forderung nach der Wiedervereinigung Deutschlands, zuerst von Teilnehmern der Demonstrationen in der DDR erhoben, gewann in beiden deutschen Staaten rasch an Boden. Seit Anfang 1990 bekannten sich praktisch alle politischen Kräfte zur Herstellung voller staatlicher Einheit. In der DDR bildete sich ein neues Parteiensystem in Anlehnung an das der Bundesrepublik heraus. Bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. 3. 1990 wurde die CDU stärkste Partei. Eine Regierung der Großen Koalition unter L. de Maizière wurde gebildet. Sie verkündete als Ziel den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Art. 23 des Grundgesetzes. Am 1. 7. trat eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion der beiden deutschen Staaten in Kraft. Am 31. 8. wurde der "Einigungsvertrag" geschlossen. Nach anfänglichem Zögern akzeptierten die vier Siegermächte des 2. Weltkriegs die deutsche Einheit. Am 12. 9. wurde der sog. Zwei-plus-vier-Vertrag unterzeichnet, durch den alle Siegerrechte erloschen und Deutschland seine volle Souveränität wiedererlangte. Die UdSSR stimmte der NATO-Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland zu . Deutschland erkannte die Oder-Neiße-Grenze mit Polen völkerrechtlich an. Am 3. 10. 1990 wurde die Wiedervereinigung Deutschlands feierlich vollzogen.

Das vereinigte Deutschland

Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. 12. 1990 waren CDU, CSU und FDP erfolgreich. Die Regierungskoalition unter H. Kohl wurde fortgesetzt. In den wiederhergestellten fünf Ländern der bisherigen DDR war der Übergang von der totalitären Diktatur zur pluralistischen Demokratie und von der Zentralverwaltungs- zur Marktwirtschaft mit großen wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Problemen verbunden. Der Aufbau einer demokratischen und rechtsstaatlichen Verwaltung und Justiz erwies sich als schwierig, da das gesamte Rechtssystem der Bundesrepublik übernommen werden musste und es an geeignetem unbelastetem Personal fehlte. Für die Bewältigung der dringendsten öffentlichen Aufgaben mussten in den westlichen Landesteilen erhebliche Mittel aufgebracht werden. Die jährlichen Transferleistungen beliefen sich auf rund 160 Mrd. DM. Dies machte Steuererhöhungen und hohe Kreditaufnahmen notwendig. Die zur Verwaltung des "volkseigenen" Wirtschaftssektors gegründete Treuhandanstalt privatisierte bis 1994 rund 15 000 bisher staatliche Betriebe. Viele Betriebe mussten jedoch wegen mangelnder Rentabilität stillgelegt werden, was eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Außerdem wirkten katastrophale Umweltschäden und ungeklärte Eigentumsverhältnisse als Investitionshemmnis. Ein wirtschaftlicher Aufschwung kam nur langsam in Gang und wurde durch die Rezession der Jahre 1992/93 weiter verzögert.

Nach der Bundestagswahl von 1994 blieb die bisherige Koalition mit geschrumpfter Mehrheit im Amt. In den östlichen Ländern erzielte die PDS beträchtliche Wahlerfolge. Im Zusammenhang mit Strukturveränderungen der Weltwirtschaft (sog. Globalisierung) stieg die Zahl der Arbeitslosen auf weit über 4 Millionen an. Auseinandersetzungen über die Finanzierbarkeit der sozialstaatlichen Leistungen bestimmten das innenpolitische Klima der späten 1990er Jahre. Bei der Bundestagswahl 1998 erlitt die regierende Koalition eine schwere Niederlage. Die SPD bildete eine Koalition mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen, die damit erstmals Regierungsverantwortung im Bund übernahm. Bundeskanzler wurde G. Schröder (SPD). Die neue Regierung kündigte Reformen in der Innen-, Sozial- und Wirtschaftspolitik an, bekannte sich aber zur Fortsetzung der bisherigen Außen- und Sicherheitspolitik. 1999 beteiligten sich deutsche Soldaten am NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien. Im Sommer desselben Jahres zogen Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin um. Eine 1999 bekannt gewordene Parteispendenaffäre beschädigte das Ansehen des früheren Bundeskanzlers Kohl u. der CDU. In der Gesundheits- u. Sozialpolitik bestimmten die BSE-Krise sowie die Auseinandersetzungen über die Rentenreform die innenpolit. Debatte. Die öffentl. Diskussionen über die Gefahren des Rechtsextremismus für die demokrat. Ordnung mündeten im Januar 2001 in einen Verbotsantrag der Bundesregierung gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht. Außenpolit. stand für die Regierung Schröder die Weiterführung der europ. Integration (EU-Gipfel in Nizza im Dezember 2000) im Mittelpunkt. 2001 wurden nach schwierigen Verhandlungen erste Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter geleistet.

Politik und Verfassung

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat, der am 7. 9. 1949 auf der Grundlage des Grundgesetzes (GG) aus 11 westdeutschen Ländern gebildet wurde. Nach dem Zusammenschluss dreier südwestdeutscher Länder zum Land Baden-Württemberg (1952), der Rückkehr des Saarlandes zu Deutschland (1957) und der Wiedervereinigung mit den Ländern der bisherigen DDR (1990) besteht die Bundesrepublik Deutschland aus 16 Ländern. Die Bundeshauptstadt ist Berlin. Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine sozialstaatliche, rechtsstaatliche und Gewalten teilende parlamentarische und repräsentative (mittelbare) Demokratie. Ihre Staatsbürger besitzen gegenüber der Staatsgewalt fest umrissene Grundrechte, an die alle Staatsorgane gebunden sind. Das Volk ist Träger der Staatsgewalt, an ihrer Ausübung aber unmittelbar nur durch die Wahl des Bundestages und durch Abstimmungen über gewisse Neugliederungen des Bundesgebiets beteiligt.

Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. Er wird von der Bundesversammlung gewählt, einem Verfassungsorgan, das nur zu diesem Zweck zusammentritt; sie besteht aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Der Bundespräsident wird auf 5 Jahre gewählt, einmalige Wiederwahl ist zulässig. Seine Aufgaben sind im Wesentlichen repräsentativ.

Gesetzgebungsorgane sind Bundestag und Bundesrat. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden vom Volk in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl auf 4 Jahre gewählt. Durch den Bundesrat wirken die Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung der Bundesrepublik mit. Er besteht aus Mitgliedern der Landesregierungen oder deren Bevollmächtigten. Ein Land hat je nach seiner Einwohnerzahl 3, 4, 5 oder 6 Stimmen im Bundesrat. Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich abgegeben werden. Der Bundesrat wählt aus dem Kreis der Regierungschefs der Länder nach einem feststehenden Turnus für jeweils ein Jahr seinen Präsidenten. Der Präsident des Bundesrates nimmt die Befugnisse des Bundespräsidenten wahr, wenn dieser verhindert ist.

Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen. Sie bedürfen der förmlichen Zustimmung des Bundesrates in den vom GG ausdrücklich vorgesehenen Fällen, vor allem dann, wenn Interessen der Länder in besonderem Maße berührt werden. Dies gilt insbesondere für Gesetze, die in die Finanzen oder die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen. Wenn die Zustimmung nicht erforderlich ist, hat der Bundesrat das Recht zum Einspruch, den der Bundestag überstimmen kann. Änderungen des Grundgesetzes bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Der Bundeskanzler wird vom Bundestag auf Vorschlag des Bundespräsidenten gewählt. Der Bundespräsident berücksichtigt bei seinem Vorschlag die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Die Bundesminister werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers ernannt. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Die Bundesminister leiten innerhalb dieser Richtlinien ihren Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung. Der Bundeskanzler kann nur durch das sog. konstruktive Misstrauensvotum gestürzt werden: Wenn ihm der Bundestag das Misstrauen aussprechen will, muss er zugleich mit der Mehrheit seiner Stimmen einen Nachfolger wählen.

Die Länder der Bundesrepublik Deutschland haben eigene Verfassungen, die in ihren Grundsätzen dem GG entsprechen. In den meisten Ländern ist das Volk durch Volksentscheid und Volksbegehren auch unmittelbar an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt. Die Länder haben die Gesetzgebungsbefugnis auf Gebieten, die nicht ausdrücklich dem Bunde vorbehalten sind; dies gilt besonders für den kulturellen Bereich. Die Ausführung der Bundesgesetze liegt grundsätzlich bei den Ländern im Auftrag des Bundes, doch gibt es auch bundeseigene Verwaltungen. Ein besonderes Staatsoberhaupt haben die Länder nicht. Die einem Staatsoberhaupt zukommenden Rechte (z. B. das Gnadenrecht) werden vom Regierungschef ausgeübt. Die Regierung eines Landes heißt meist Landesregierung, in einigen Ländern Staatsregierung, in den drei Stadtstaaten Senat. Der Regierungschef führt in den Flächenstaaten den Titel Ministerpräsident, in Berlin Regierender Bürgermeister, in Bremen Senatspräsident, in Hamburg Erster Bürgermeister. Den Ministern der Flächenstaaten entsprechen in den Stadtstaaten die Senatoren. Die Volksvertretung heißt in den Flächenstaaten Landtag, in Berlin Abgeordnetenhaus, in Bremen und Hamburg Bürgerschaft. Die Länder haben meist eigene Verfassungsgerichte (Verfassungsgerichtshöfe, Landesverfassungsgerichte); einige haben das Bundesverfassungsgericht auch für Länderverfassungsstreitigkeiten für zuständig erklärt.

Träger der Gerichtsbarkeit sind der Bund und die Länder. Bundesgerichte sind: Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht, Bundesfinanzhof, Bundespatentgericht, Bundesdisziplinarhof. Alle übrigen Gerichte sind Gerichte der Länder.

Die Rolle der Parteien im politischen Willensbildungsprozess wird durch das GG erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte ausdrücklich anerkannt. Die Parteien müssen nach demokratischen Grundsätzen aufgebaut sein und über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. In dem 1998 gewählten Bundestag sind folgende Parteien vertreten: die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU), die Freie Demokratische Partei (FDP), die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Weitere Parteien sind in den parlamentarischen Körperschaften auf Landes- und kommunaler Ebene vertreten.

Großes gesellschaftspolitisches Gewicht besitzen neben den Parteien auch die Interessenverbände der Arbeitnehmer (z. B. der Deutsche Gewerkschaftsbund) und der Arbeitgeber (z. B. der Bundesverband der Deutschen Industrie).

Militär

Bundeswehr, Nationale Volksarmee.

Bildungswesen

Das Grundgesetz weist mit Ausnahme weniger Grundsatzfragen die Regelung des Schulwesens den Ländern zu (Art. 70 Abs. 1). Die Schulgesetze der Länder regeln Aufbau, Organisation, Verwaltung und Finanzierung der öffentlichen Schulen, die allgemeine Schulpflicht vom 6.-18. Lebensjahr, die Schulgeld- und teilweise Lernmittelfreiheit, die Lehrerbildung sowie das Privatschulwesen. Für eine Angleichung des Schulwesens der Länder sorgten das Düsseldorfer Abkommen von 1955 und das Hamburger Abkommen von 1964. Der laufenden Koordinierung dient die Ständige Konferenz der Kultusminister.

In der (alten) Bundesrepublik hat sich aufgrund der Bildungsreform der 1970er Jahre das Bildungsniveau deutlich erhöht. Der Anteil der Schulabgänger eines Jahrgangs mit Hochschul- oder Fachhochschulreife lag 1998 bei rund 30%, während um 1950 nur 3% der Schulabgänger das Abitur hatten.

Schulaufbau

Die Grundschule ist vierklassig, in Berlin sechsklassig. Daneben bestehen Sonderschulen für körperlich, geistig oder seelisch benachteiligte Kinder. Auf die Grundschule folgen weiterführende Schulen: 1. Die Hauptschule, früher die Oberstufe der Volksschule, ist seit 1964 eine organisatorisch selbständige Schulform. - 2. Die sechsklassige Mittelschule (Realschule) führt nach 10 Schuljahren zur "Mittleren Reife". - 3. Das acht- oder neunklassige Gymnasium (höhere Schule) führt nach 12 oder 13 Schuljahren zum Abitur (Hochschulreife). In der Oberstufe (Sekundarstufe II) ist an die Stelle fester Klassenverbände seit 1974 ein Kurssystem getreten, das auf eine bessere Vorbereitung auf das Hochschulstudium abzielt und zugleich eine größere Durchlässigkeit zur Berufspraxis schaffen soll. Es gibt drei Grundtypen von Gymnasien: neusprachlich, altsprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich. Seit Mitte der 1960er Jahre sind im Rahmen von Schulversuchen Gesamtschulen eingeführt worden, in denen mehrere herkömmliche Schularten zusammengefasst sind. Sie werden als Regel- oder Angebotsschulen geführt. - 4. Kollegs und Fachoberschulen sowie weitere Angebote des Zweiten Bildungswegs führen zum Fachabitur oder zur Hochschulreife. - 5. Die Berufsschule besteht als dreijährige berufsbegleitende Teilzeitschule (Berufsfachschule, Fachschule, höhere Fachschule) oder dient als freiwillige Vollzeitschule unterschiedlicher Dauer der Berufsweiterbildung.

Hochschulwesen

In Deutschland gibt es insgesamt 94 wissenschaftliche Hochschulen (Universitäten, technische Hochschulen, Gesamthochschulen) sowie zahlreiche Fachhochschulen. Zum Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule ist die Hochschulreife (in der Regel das Reifezeugnis eines Gymnasiums) erforderlich, zum Studium an einer Fachhochschule die Fachhochschulreife. Für einige Studienfächer bestehen Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus).

In der DDR stand das Bildungswesen wie alle anderen staatlichen Einrichtungen unter dem beherrschenden Einfluss der SED. Es war völlig auf die "Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft" ausgerichtet und streng zentralistisch organisiert. Privatschulen waren nicht gestattet.

Es bestand zehnjährige allgemeine Schulpflicht. Als pädagogischer Grundsatz galt die Verbindung von Unterricht und produktiver Arbeit (polytechnischer Unterricht). Wehrerziehung war Bestandteil des Unterrichts auf allen Stufen. Pflichtschule war die Polytechnische Oberschule. Vom 9. Schuljahr an gab es besondere Vorbereitungsklassen für die zweijährige Erweiterte Oberschule (EOS), die zur Hochschulreife führte. Das berufliche Bildungswesen war gegliedert in Berufsschulen (1. Stufe) und Fachschulen (2. Stufe), die oft an größere Betriebe angeschlossen waren.

Nach der Wiedervereinigung wurde das Bildungswesen der neuen Länder größtenteils in Angleichung an das der alten Länder aufgebaut.

Kunst

Architektur, Plastik, Malerei und Kunsthandwerk des deutschen Sprach- und Kulturbereichs seit Bestehen des karolingischen Reiches bildeten sich unter den Ottonen zu einer charakteristischen, landschaftlich gebundenen Kunstsprache aus. Angeregt von spätantiken Formen, zeigte damals die deutsche Kunst in grundlegender Umwandlung des Übernommenen bereits bis in die Gegenwart hinein bezeichnende Züge: Sie wurde mehr von der Dramatik des Geschehens als vom Eigenwert der sinnlichen Schönheit bestimmt und zog der rationalen Durchklärung der Form einen expressiven Stil vor.

Architektur

Die ottonische Kirchenbaukunst übernahm von der karolingischen Architektur zahlreiche Elemente, darunter das Westwerk, überwand Vielteiligkeit und Polyzentrismus zugunsten einer einheitlichen Weiträumigkeit; Teileinheiten wurden der Gesamtanlage untergeordnet. Während sich die gleichzeitige französische Kirchenbaukunst besonders auf die Gestaltung des Ostchors konzentrierte, bildete die ottonische in ihrer reinsten Ausprägung, der Michaeliskirche in Hildesheim, zwei gleichwertige Raumpole aus.

Tonnengewölbe im Querschiff, in Seitenschiffen und im Chor leiten zum Baustil der frühen Romanik über.

Deutlich unterschieden von der geschlossenen, ungegliederten Wandfläche ottonischer Kirchen, zeigen die romanischen Bauten eine vertikale Wandgliederung durch Dienste. Häufig bevorzugte die deutsche Romanik die Einturmlösung, im Gegensatz zu normannisch-französischen Zweiturmfassaden. Für die rheinländische Kirchenarchitektur der Spätromanik, die in ihren letzten Jahrzehnten aus dem französischen Kunstraum eindringende gotische Baugedanken übernahm, ist ein deutlicher Höhenzug typisch (Doppelkirche zu Schwarzrheindorf, Dreikonchenanlagen St. Aposteln und Groß-St. Martin zu Köln). Nicht nur in den westlichen, auch in den norddeutschen Kirchenbauten setzte sich die Einwölbung durch (Dom zu Braunschweig).

Die Bauideen der französischen Gotik, bei der mit dem Einheitsraum des Kathedralbaus alle Teile streng und im Gesamtzug der Raumbewegung verschmolzen sind (Steigerung der Raumhöhe, Entmassung der Wände, Verkürzung des Querschiffs, weitere Ausbildung des Chors), wurden in Deutschland ohne durchgreifende Konsequenz willkürlich umgeformt. Erstmalig erschienen diese Elemente in Marburg und Trier, aber schon die Bevorzugung von Hallenraum (Elisabethkirche in Marburg) und Zentralraum (Liebfrauenkirche in Trier) zeigte Selbständigkeit gegenüber der Raumform der französischen Gotik. Nach dem Vorbild von Amiens wurde der Kölner Domchor gebaut, während das Straßburger Münster Motive aus Chartre (Querschiff), St.-Denis (Langhaus) und Notre-Dame in Paris (Querhausfassaden) vereinte. Von Straßburg übernahm Magdeburg die französische Dreiportalfassade. Zu größerer nationaler Selbständigkeit gelangte die Gotik im System der Eintürmigkeit bei den Münsterkirchen von Ulm und Freiburg im Breisgau. Eigentlich schöpferisch wurde die deutsche gotische Baukunst erst in ihrer Spätphase, etwa seit dem 14. Jahrhundert. Norddeutschland und die Provinzen des deutschen Ritterordens bevorzugten die Backsteingotik. Der Typus der Hallenkirche verbreitete sich zuerst in Westfalen (Dom zu Minden; Wiesenkirche zu Soest); schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts erschien er in Franken (Frauenkirche in Nürnberg) und Schwaben (Kreuzkirche in Schwäbisch Gmünd). Durch die schwäbische Baumeisterfamilie Parler wurde die Hallenkirche in Böhmen (Veitsdom zu Prag; Annaberg) heimisch. Viele Burgen (Marienburg), Rathäuser (Lübeck, Braunschweig, Breslau, Münster), Bürger- und Kaufhäuser (Freiburg im Breisgau) zeugen von der Bedeutung des gotischen Profanbaus.

In der deutschen Kunst wird der Übergang zur Renaissance im Wesentlichen in der Plastik, der Malerei und der Grafik sichtbar; die Vorliebe für komplizierte und reiche Formen verstellte der deutschen Baukunst zunächst den Zugang zur neuen Struktur- und Raumlehre der Italiener. Bevor sich die Hochrenaissance in Deutschland durchgesetzt hatte, wurde der Einfluss von A. Palladios Klassizismus spürbar (Augsburger Rathaus von E. Holl, seit 1610). Die Michaelskirche in München (von F. Sustris, 1582-1597) ist stark abhängig von der Jesuitenkirche Il Gesù in Rom. Die deutsche Baukunst des 16. Jahrhunderts aber konzentrierte sich auf Schlösser, Rat- und Bürgerhäuser.

Mit J. B. Fischer von Erlach, der die vorherrschenden ausländischen Einflüsse erstmalig (1690) überwand, kam die deutsche und österreichische Barockarchitektur zur Geltung, gleichermaßen von kirchlichen und weltlichen Auftraggebern gefördert.

Die expemplarischen Kunstlandschaften des 18. Jahrhunderts lagen in Süddeutschland, wo sich französische und italienische Stilformen des Barocks und Rokokos durchdrangen. D. Zimmermann ( Wies) u. M. D. Pöppelmann ( Dresdner Zwinger) vertraten den Baustil des Spätbarocks (etwa 1730-1770).

Im schroffen Gegensatz zum spätbarocken Formenrausch brachte der Klassizismus (etwa 1770-1830), angeregt durch die Schriften Winckelmanns, eine entscheidende Wandlung im Verhältnis von Gesellschaft und Kunstwerk. Von nun an traten Kunsttheorien in den Vordergrund, die aus der klassischen Bildung erwuchsen und zum Eklektizismus führten. Die Baukunst suchte, antiken Formen und Ordnungsprinzipien folgend, strenge Gesetzmäßigkeit (K. F. Schinkel: Hauptwache, Altes Museum und Schauspielhaus in Berlin; L. von Klenze: Glyptothek und Propyläen in München).

Das 19. Jahrhundert versuchte vergangene Stilepochen wiederzubeleben. Beeinflusst von Goethes Schrift über das Straßburger Münster, griff Schinkel auf die Gotik zurück; daneben begründete G. Semper ( Opernhaus und Gemäldegalerie in Dresden) eine von der Renaissance beeinflusste Architektur, die die Entwicklung zum Neubarock einleitete.

Die Darmstädter Ausstellung auf der Mathildenhöhe (1901) verhalf dem Jugendstil zum Durchbruch, die Werkbundausstellung in Köln (1914) dem expressiven Formwillen und der funktionell-sachlichen Schönheit des "Neuen Bauens", wie sie am konsequentesten von P. Behrens, W. Gropius, E. Mendelsohn, L. Mies van der Rohe, H. Poelzig und den Brüdern Taut vertreten wurden. Als Keimstätte avantgardistischer Baugedanken erlangte das Bauhaus Weltgeltung, bis die nationalsozialistische Kulturpolitik alle schöpferischen Kräfte in der Architektur zum Erliegen brachte. Nach 1945 fand die deutsche Baukunst nur langsam den Anschluss an die internationale Architekturentwicklung. Als Hauptvertreter der deutschen Gegenwartsarchitektur sind u. a. E. Eiermann (Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin); G. Böhm (Rathaus und Kinderdorf in Bensberg; Kirche in Neviges), H. Scharoun (Philharmonie in Berlin, 1963) u. R. Schwarz (Kirchen in Aachen und Düren) sowie die Städteplaner E. May u. H. B. Reichow zu nennen. Die Architektur der sog. Postmoderne wird vertreten durch A. von Branca, O. M. Ungers u. a.

Plastik

Das plastische Schaffen der ottonischen Zeit wie der mittelalterlichen Kunst überhaupt lässt sich nicht ohne weiteres in Skulptur und Kunsthandwerk scheiden. Hauptwerke der ottonischen Plastik sind die Madonna des Essener Münsterschatzes, die Bronzearbeiten der Bernwardskunst in Hildesheim (Domtüren, Bernwardssäule), Relieftüren des Doms in Augsburg und die Türen von St. Maria im Kapitol zu Köln. Ebenso vielfältiges Material (Bronze, Holz, Stuck, Stein, Gold) bevorzugte die salische Plastik: Externsteine; Madonna im Liebig-Haus in Frankfurt; Imad-Madonna in Paderborn. Besondere Bedeutung erlangte die Goldschmiedekunst des Rhein-Maas-Gebiets, deren Blüte in der Zeit nach 1150 lag: Altar des Nikolaus von Verdun in Klosterneuburg bei Wien; Dreikönigsschrein in Köln. Angeregt von der französischen Kathedralskulptur, entwickelte sich die deutsche Großplastik aus säulenhafter Bindung zu figürlicher Darstellung. Hauptwerke der spätromanischen Bildnerei sind die Apostel- und Prophetenfiguren der Georgenchorschranken des Bamberger Doms mit gedrungenen Körpern und ausdrucksvollen Gebärden.

Am Anfang der Gotik stand der Ritterliche Stil, der mit den Figuren des Straßburger Ecclesia-Meisters (1220-30) begann und sich von der Typenhaftigkeit der französischen Klassik durch Neigung zur Übersteigerung unterscheidet. Außerdem wurde in Deutschland die Einzelfigur stärker betont und aus der Gruppe durch individuelle Merkmale herausgehoben. In Bamberg entstanden in den Gestalten Adam und Eva die ersten großplastischen nackten Figuren in der deutschen Kunst. Einen großartigen Abschluss fand diese Stilepoche in den Werken des Naumburger Meisters mit den Stifterfiguren im Westchor und Passionsszenen am Westlettner, die sich durch starke Individualität und dramatisch-leidenschaftliche Gebärdensprache auszeichnen. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts drang in die deutsche spätgotische Kathedralplastik das französische System der Figureneihe ein (Zyklen in Straßburg und Freiburg). In der sich gabelnden Stilentwicklung des 14. Jahrhunderts entstanden viele Madonnenfiguren der eleganten, höfischen Richtung, Andachtsbilder mit den ikonographisch neuen Typen der Christus-Johannes-Gruppe, des Schmerzensmannes, der Pietà und der Schutzmantelmadonna wurden geschaffen. Innerhalb der Freiplastik setzte sich besonders die Holzskulptur durch; sie wurde zur volkstümlichsten Kunstgattung der Spätgotik. Grabmäler, Altäre und Chorschranken der Spätgotik tragen ein polyphones Gepräge. Die monumentalen Hochaltäre von M. Pacher, B. Notke, V. Stoß, T. Riemenschneider u. a.. verneinen die isolierte und autonome Form zugunsten der verschränkten und verflochtenen Figurenfülle. Süddeutsche Hauptmeister der spätgotischen Plastik waren in Schwaben J. Syrlin der Ältere, in Franken A. Kraft, P. Vischer und dessen Söhne (Sebaldusgrab, Nürnberg).

Im 18. Jahrhundert verbanden sich Plastik, Architektur und Deckenmalerei zu festlichen Raumschöpfungen: Die Plastik wurde ein Teil der Architektur. Bedeutende Architekten vereinten die Begabung des Baumeisters, Bildhauers und Malers in einer Person (Brüder Asam). Die klassizistische Bildhauerei erstrebte eine vereinheitlichende Gestaltung der Oberfläche (J. H. von Dannecker, G. Schadow und C. D. Rauch). Bei M. Klinger finden sich Tendenzen, die den Jugendstil vorbereiteten.

Die plastischen Aufgaben im 20. Jahrhundert wurden u. a. durch die Programme der Künstlergruppen "Brücke" und "Der Blaue Reiter" formuliert. Den Expressionismus in der deutschen Plastik vertraten E. Barlach und W. Lehmbruck; die ersten ungegenständlichen Formgebilde schufen H. Arp und R. Belling. Die Brücke zwischen den Kriegen schlugen G. Kolbe, G. Marcks, E. Matar und E. Scharff. Nach dem Krieg dominieren abstrakte Tendenzen, so im Werk von O. H. Hajek, K. Hartung, E. Hauser und N. Kricke. Kinetische Lichtplastiken schufen die Gruppe Zero (H. Mack, O. Piene, G. Uecker), A. Luther und A. Wildung. M. Buthe vertritt die Kunst des Environments, N. Lang der Spurensicherung, K. Rinke widmet sich der Prozesskunst und Körperdemonstrationen. Zentrale Figur des zeitgenössischen Kunstbetriebs war J. Beuys, der mit seinem Begriff der "sozialen Plastik" Kunst und Leben gleichsetzte.

Die Bildhauerei in der DDR vollzog in der Nachkriegszeit den Schritt zur Abstraktion nicht, sondern beharrte auf der demonstrativen Gebärde, wie sie die öffentlichen Aufgaben erforderten.

Malerei

Die meisten Werke der ottonischen Wandmalerei sind verloren; aber die Fresken der Mittelschiffwände der Georgskirche in Oberzell, Reichenau, aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts erlauben Rückschlüsse auf die Farbigkeit und den flächenhaften Charakter der verschwundenen Denkmäler. Ihre reinste Ausprägung fand die ottonische Malerei in den Miniaturen vieler Klosterschulen, die die liturgischen Bücher in Schrift und Bild reich ausstatteten. Das früheste erhaltene Werk der deutschen Tafelmalerei ist das Antependium der Wiesenkirche in Soest (um 1240).

Im 14. und noch im 15. Jahrhundert standen sich zwei verschiedene Ausdrucksformen gegenüber: eine höfisch-elegante der schönen Linie und eine natürliche, kraftvolle Richtung mit individuellen Formen und diesseitigem Ausdruck. In der Manesseschen Liederhandschrift (um 1330) wirkt noch das linear bestimmte französische Vorbild, während in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts Diesseitigkeit und Natürlichkeit stärker herausgearbeitet wurden. Zentrum dieser Richtung war Böhmen mit dem Meister von Hohenfurth, Meister Theoderich und dem Meister von Wittingau, der einer der Hauptrepräsentanten des sog. "Internationalen Stils" um 1400 wurde. Von Böhmen gelangte dieser Stil nach Köln, Westfalen und Hamburg (Meister Bertram, Konrad von Soest, Meister Francke) und an den Oberrhein. In der Spätzeit des Weichen Stils, der einen Höhepunkt des deutschen Tafelbildes brachte, wirkte S. Lochner.

Noch in die Blütezeit der Altarkunst fallen die Anfänge der Druckgrafik, serienweise produziert und an ein anonymes Publikum gerichtet. Diese neue Kunstgattung und die Malerei trugen im Wesentlichen die Entwicklung der deutschen Kunst im 16. Jahrhundert. Bei der Einbürgerung der italienischen Renaissanceformen und -themen lagen rationale Durchformung, neues künstlerisches Selbstbewusstsein, expressiver Überschwang und religiöser Bekenntnisdrang nicht selten im Streit miteinander. Im Zeichen dieser Spannungen stand das Werk von L. Cranach dem Älteren, H. Baldung, H. Burgkmair, M. Grünewald und A. Altdorfer. Am sinnfälligsten wird die Auseinandersetzung der Spätgotik mit den Tendenzen der italienischen Renaissance bei A. Dürer. Folgerichtiger und mit deutlichem Hinweis auf den Manierismus vollzog sich der Übergang zur Renaissance im Werk H. Holbeins des Jüngeren, besonders in seinen Porträts.

Die deutsche Malerei des 17. Jahrhunderts unterlag in hohem Maße niederländischen und italienischen Einflüssen. In das Bestreben, bei der Lösung größerer künstlerischer Aufgaben eine illusionistische Gesamtwirkung zu erreichen, wurde neben der Plastik besonders die Deckenmalerei einbezogen. Vor allem in Süddeutschland und Österreich diente sie der dekorativen Auflockerung fester Wandformen (F.-J. Spiegler, F. A. Maulbertsch, J. M. Rottmayr, J. Zick, Brüder Asam). Die von R. Mengs eingeleitete Malerei des Klassizismus pflegte vor allem die Landschaft (P. Hackert, W. von Kobell, J. A. Koch) und das Porträt (A. Graff, G. Schick, J. F. A. Tischbein) - immer um Klarheit und Ausgewogenheit bemüht.

Die romantische Malerei hatte viele Gesichter. P. O. Runge malte beseelte Porträts. K. F. Schinkel, C. D. Friedrich, F. Olivier und C. P. Fohr drückten in ihren Landschaften Größe und Geheimnis der Natur aus. P. von Cornelius, E. Pforr, J. F. Overbeck und J. Schnorr von Carolsfeld suchten mit ihren Bildern Geschichte gegenwärtig zu machen. Vom Realismus beeinflusst malte H. Thoma, in der Tradition des Klassizismus A. Feuerbach.

In der Zeit des Jugendstils, dessen Name sich von der seit 1894 in München erschienenen Zeitschrift "Die Jugend" herleitete, waren München, Dresden, Darmstadt und Wien Kunstzentren. O. Eckmann und P. Behrens waren maßgeblich an der Entstehung einer neuen ahistorischen, unplastischen und unräumlichen Ornamentik beteiligt. Eine führende Stellung in der Kunstwelt Europas brachte Deutschland der Expressionismus mit den Künstlergruppen "Brücke" in Dresden (E. Heckel, E.-L. Kirchner, M. Pechstein, K. Schmidt-Rottluff, O. Müller u. a.) und "Der Blaue Reiter" in München (F. Marc, W. Kandinsky, A. Macke, G. Münter, A. Kubin u. a.). Die vom Expressionismus geweckten Impulse setzten sich in den Kriegs- und Nachkriegsjahren im antibürgerlichen Protest der Surrealisten und Dadaisten (M. Ernst, K. Schwitters, G. Grosz) fort und beeinflussten u. a. M. Beckmann. Im Dienst des Bauhauses standen W. Kandinsky, L. Moholy-Nagy, L. Feininger, J. Itten u. a. Die Kunstpolitik des Dritten Reiches (Verfolgung der "entarteten Kunst") untersagte vielen Künstlern die Tätigkeit oder zwang sie in die Emigration. Nach dem 2. Weltkrieg dominierte die abstrakte Malerei (W. Baumeister, K. F. Dahmen, H. Hartung, E. Meistermann, E. W. Nay, B. Schultze, F. Winter, Wols u. a.). Die Varianten des Colorfield-painting und der Signalmalerei vertraten W. Gaul, R. Geiger, G. Grützke, K. Klapheck und G. Richter. Auch die Kunst der Grafik und damit der Buchillustration erlebte einen Aufschwung (HAP Grieshaber, H. Janssen und F. Meckseper). Der Beginn der 1980er Jahre brachte eine Wiederbelebung expressionistischer Tendenzen im Werk von G. Baselitz, R. Fetting, D. Hacker, K. H. Hödicke, A. Kiefer, M. Lüpertz, Salomé u. a.

In der DDR blieb die Entwicklung der Kunst nach 1945 eng mit den Vorgaben der SED verknüpft. In den 1950er Jahren dominierte der durch Parteibeschluss verordnete sozialistische Realismus, der nach sowjetischem Vorbild den idealisierten Helden propagierte. So entstanden zahlreiche Arbeiterbildnisse, Demonstrationsbilder und Industrielandschaften (B. Kretzschmar, G. Brendel, W. Womacka, R. Bergander u. a.). Nachdem das Konzept des "Bitterfelder Weges", das eine Verbindung von Berufs- und Laienkunst vorsah, gescheitert war, gewannen in den 1970er Jahren zunehmend Künstler an Bedeutung, deren stilistische Progressivität auch dem politischen Anliegen größere Glaubwürdigkeit verlieh und kritische Stellungnahme nicht ausschloss, wie z. B. B. Heisig, W. Mattheuer, W. Sitte, W. Tübke, die durch die documenta 6 (1977) auch im Westen bekannt und anerkannt wurden.

In den 1990er Jahren stand deutsch-deutsche Malerei im Mittelpunkt des Interesses. Die Ausstellung "Deutschlandbilder" in Berlin zeigte 1997 die erste gemeinsame Schau mit Kunstwerken der beiden deutschen Nachkriegsstaaten.

Kunsthandwerk

Kleinkunst und Kunsthandwerk des deutschen Mittelalters stehen in engem Stilzusammenhang mit der gleichzeitigen Großkunst, besonders der Plastik. Zahlreich sind Werke der Elfenbeinschnitzkunst aus karolingischer, ottonischer und salischer Zeit erhalten, die häufig der Großplastik als Vorbilder dienten. Hervorragende Leistungen gab es auch in der Goldschmiedekunst des deutschen Manierismus unter ihrem Hauptmeister W. Jamnitzer. Berühmte Gold- und Silberschmiedewerkstätten besaßen Nürnberg und Augsburg. Über bedeutende Glashütten verfügten Nürnberg, Potsdam und Kassel. 1708 wurde in Dresden das erste europäische Porzellan hergestellt. Die deutsche Fayence zeichnete sich auch noch im 18. Jahrhundert durch Form- und Schmuckschönheit aus; ihre zahlreichen Gefäßtypen waren weit verbreitet. Ihre Höhepunkte hatte die deutsche Möbel- und Textilkunst in Renaissance und Barock durch die Verbindung einheimischer Traditionen mit fremden, besonders französischen und holländisch-flämischen Einflüssen. Im 19. Jahrhundert sank auf fast allen Gebieten der Kleinkunst und des kunsthandwerklichen Gestaltens die Qualität; erst die Bemühungen des Jugendstils, die vorbildlichen Erzeugnisse der im Deutschen Werkbund zusammengeschlossenen Künstler und die Verbreitung der Bauhaus-Ideen führten einen Wandel herbei.

Literatur

Frühes Mittelalter (750-1170). Die ältesten Sprachdenkmäler stammen aus dem 8. Jahrhundert und stehen zumeist im Dienst der christlichen Lehre; sie wurden von den Klöstern bewahrt; es sind Glossen, Glossare, Interlinearversionen und übersetzte geistliche Texte, ferner Grundformeln des Glaubens (Vaterunser, Taufgelöbnis, Glaubensbekenntnis, Beichtformel, Benediktinerregel) in der jeweils stammesmäßig gefärbten althochdeutschen "Volkssprache". Von der vorausgegangenen schriftlosen germanischen Dichtung hat sich außer zwei Merseburger Zaubersprüchen nur das im 9. Jahrhundert nebenbei aufgezeichnete Hildebrandslied erhalten. Im 10. Jahrhundert blieb die althochdeutsche Literatur ohne Nachwirkung, denn in der ottonischen Zeit herrschte Latein als Literatursprache vor; nur in mündlicher Überlieferung lebten Sage, Spottlied und Schwank weiter. - In der frühmittelhochdeutschen vorhöfischen Zeit (etwa 1060-1170) war die Literatur zunächst von der Weltabkehr der seelsorgerischen cluniazensischen Bewegung bestimmt. Die Mariendichtung begann. Dann erweiterte sich das Blickfeld durch die Kreuzzüge. Aus Frankreich kamen die ersten ritterlichen Stoffe (Rolandslied, Alexanderroman), es entstanden in Siegburg das zeitgeschichtliche Annolied, in Bayern die gereimte Kaiserchronik, zu Limburg und Regensburg weltliche Epen (Eilhart von Oberge: "Tristant und Isalde"; Trierer Floyris), im Elsass erneuerte sich die Tiersatire (Heinrich der Glichesaere); am Braunschweiger Hof entstand das erste enzyklopädische Lehrbuch (Lucidarius).

Hoch- und Spätmittelalter (1170-1500). Die Literatur des Mittelalters ist geschrieben im Latein der Kirche und der Gelehrten (z. B. die Liedsammlung Carmina burana) oder im Mittelhochdeutschen der ritterlichen Dichter; es sind Geistlichendichtung, höfische Ritterdichtung und Heldendichtung zu unterscheiden, von der Gattung her besonders Lyrik nebst Spruchdichtung und Versepik. Die mittelalterliche Lyrik wurde gesungen. In der Regel war der Dichter zugleich der Komponist. Leider ist von den Melodien (Weisen) nur wenig überliefert.

Im Minnesang wurde diese Lyrik zur höfischen Standeskunst; neben dem erotischen Minnelied gab es den Spruch, der vorwiegend Lebensweisheit, Sittenlehre, Religiöses ausdrückte. In beiden Arten wurde Walther von der Vogelweide Meister: Dem Minnesang verlieh er reichen Erlebnisgehalt, und der Spruch wurde ihm bei seinem Eintreten für die Kaiseridee zur politischen Waffe. Als letzte Minnesänger gelten der gelehrte Hugo von Montfort und Oswald von Wolkenstein.

Auch das höfische Epos, der ritterliche Versroman, war eine vom Westen formal und stofflich angeregte Standesdichtung. Den Höhepunkt bilden Hartmann von Aue, Wolfgang von Eschenbach und Gottfried von Straßburg. Ebenfalls um 1200 erreichte das Heldenepos (Nibelungenlied, etwas später Kudrun) seinen Gipfel. Seit dem 14. Jahrhundert wurden sie in immer schlechteren Handschriften überliefert und schließlich in "Heldenbüchern" gesammelt. - Die Entwicklung zum nüchternen bürgerlichen Realismus hin kündigte sich an in der zeitkritischen Verserzählung "Meier Helmbrecht" von Wernher dem Gartenaere (nach 1250) und in H. Wittenwilers bäuerlich derbem Versepos "Der Ring" (um 1400). Weithin beliebt waren gereimte Schwänke mit Motiven aus dem internationalen Erzählgut; diese wurden gern einer bestimmten Person zugeschrieben, so dem "Pfaffen Amis" von dem Stricker (um 1230), dem "Pfarrer vom Kalenberg" von P. Frankfurter (um 1450), dem "Neidhart Fuchs" und schließlich dem Eulenspiegel (um 1500) oder den Schildbürgern (1598). Die "Historia von D. Johann Fausten" ist eines der bekanntesten Volksbücher.

Humanismus und Reformation (bis 1600). Im 15. und 16. Jahrhundert blühte die bürgerliche Kultur der Städte. Der Buchdruck kam auf und förderte auch das Entstehen einer neuhochdeutschen Schriftsprache; mitwirkend waren die beiden großen Zeitmächte: der Humanismus mit seinem die Grammatik schulenden Vorbild des "klassischen" Lateins und die Reformation mit M. Luthers volksnah lebendiger, ostmitteldeutscher Bibelübersetzung. Der Humanismus, der dem mehr diesseitigen Lebensgefühl der Renaissance entsprach, war schon im 14. Jahrhundert aus Italien vorgedrungen, zunächst nach Böhmen, wo 1348 in Prag die erste deutsche Universität gegründet worden war. Es entstanden Dramen nach antikem Muster, Streitschriften, Satiren (Dunkelmännerbriefe) und wissenschaftliche Abhandlungen. Führende Humanisten waren J. Agricola, H. Bebel, K. Celtis, Crotus Rubeanus, Erasmus von Rotterdam, Lotichius, W. Pirckheimer, J. Reuchlin. Insgesamt entstand eine reiche europäische Bildungsliteratur, die manchmal von leidenschaftlicher nationaler Gesinnung (U. von Hutten) erfüllt war. Das religiöse Schrifttum der Reformation war hingegen meist im "gemeinen Deutsch" verfasst; es stellte außer der theologischen Streitschrift vor allem die Satire (T. Murner, J. Fischart), aber auch die Fabel (M. Luther, E. Alberus) in den Dienst des Glaubenskampfs. Als Gemeindegesang schuf M. Luther das evangelische Kirchenlied. - Die damalige Dichtung ist bürgerlich moralisch und didaktisch oder schwankhaft-derb. Ihr erfolgreichstes Werk war das "Narrenschiff" des Straßburgers S. Brant, das die Literatur des Grobianismus einleitete. Äußerst fruchtbare Meistersinger und Stückeschreiber waren H. Sachs, J. Wickram, dessen "Rollwagenbüchlein" weithin nachgeahmt wurde, und der manieristische virtuose J. Fischart, der in seiner "Geschichtsklitterung" den "Gargantua" des F. Rabelais freizügig übertrug. Auch sonst drangen Einflüsse aus dem Westen ein. Ein Lieblingsbuch der Zeit war der französisch-spanische Amadis-Roman.

Das Barock (17. Jahrhundert) ist reich an Gegensätzen. Literarisch unterscheidet man eine höfisch-idealistische und eine volkstümlich-realistische Richtung. Hemmungslose Hingabe an die Welt und schroffe Abkehr von ihr in Angst und Todesgrauen standen einander gegenüber. Im Süden und Südosten war der Bereich der Jesuitenbühnen und des prunkvoll repräsentativen Barocktheaters; im protestantischen Norden aber wurden die Sprachgesellschaften gegründet. Wegbereiter war M. Opitz, dessen "Buch von der Deutschen Poeterey" (1624) die Gesetze und Eigenwerte einer sprachreinen deutschen Dichtung herausarbeitete.

Die Lyrik des 17. Jahrhunderts war fast durchweg Gesellschaftsdichtung, also nicht individuell erlebt; man bevorzugte allgemeine Themen wie Vergänglichkeit, Freundschaft, Ruhm, Sehnsucht nach Frieden und Ruhe; im "letzten Schlesier", in J. C. Günther, beginnt dann schon die Wendung zur ganz persönlichen Erlebnislyrik. Hauptvertreter des Barockdramas sind die Jesuitendramen im Süden (J. Bidermann, S. Rettenbacher) mit ihrem gegenreformatorischen Bekehrungswillen und ihrer Augenlust an Bühnenbild und Massenauftritt sowie die schlesischen Tragödien und Komödien (A. Gryphius, D. C. von Lohenstein) in ihrem christlichen Stoizismus; beide Formen kommen vom humanistischen Schultheater und dessen Vorbild Seneca her, häufen die theatralischen Mittel. Eigentlicher Höhepunkt des Barocktheaters wurde aber die Oper (1. deutsche Oper "Dafne" von M. Opitz und H. Schütz, 1627 in Torgau aufgeführt, verloren gegangen), auch das Festspiel zu dynastischen oder politischen Feiern (J. Rist), wie sie zumal an den Höfen des Südens mit glänzendem Aufwand dargeboten wurden. Bürgerlich aufgeklärter waren dann schon die vielen Schulstücke des Zittauer Rektors C. Weise und die realistischen derben Lustspiele von C. Reuter. - Von den Erzählern der Barockzeit wurde im höfischen Bereich zunächst der in Italien und Frankreich gepflegte Schäferroman übersetzt, nachgeahmt und fortentwickelt (P. von Zesen). Dann folgten heroisch galante Staatsromane (Anton Ulrich von Braunschweig, Andreas Heinrich Buchholtz, D. C. von Lohenstein, H. A. von Zigler und Kliphausen: "Asiatische Banise"), die sich zu enzyklopädischen Kompendien der Weltbildung entfalteten. Für den volkstümlichen Roman der mehr bürgerlichen Leserschichten bot die stärkste Anregung der spanische Schelmenroman, dessen Held als ein liebenswürdiger Tunichtgut, als "Picaro", durch die Welt schweift. H. J. C. von Grimmelshausen verwandelte ihn in seinen "Simplicissimus" (1669); er schuf damit den ersten großen Zeitroman, der nicht nur die rohe Wirklichkeit des 30-jährigen Krieges spiegelt, sondern auch Autobiografie, Utopie, Robinsonade und Morallesebuch in einem ist. Ein späterer Abenteuerroman von Rang, worin zeitkritische Utopie mit der von D. Defoe angeregten Robinsonade vereint ist, ist J. G. Schnabels "Insel Felsenburg". Gemeint war C. Reuters satirischer Reiseroman "Schelmuffsky" (1696).

Die Aufklärung (frühes 18. Jahrhundert) war im Gegensatz zum Barock betont bürgerlich, ja optimistisch weltbürgerlich eingestellt; man erstrebte Toleranz, Befreiung von Vorurteilen, rückte autonome Vernunft in die Mitte aller Bemühungen und suchte eine natürliche Religion an die Stelle der übernatürlichen zu setzen. In der Literatur war zunächst der Leipziger Professor J. C. Gottsched ihr Wortführer; er bekämpfte im Namen klassizistischer Regeln das Pathos und den Schwulst des Spätbarocks, fasste die grammatischen Grundregeln der deutschen Sprache zusammen und gab nach englischem Vorbild auch "moralische Wochenschriften" heraus. Anderswo setzte eine "Rückkehr zur Natur" ein (B. H. Brockes, A. von Haller), sie mischte sich oft mit Einflüssen des französischen Hofes wie in "arkadischen" Schäferpoesien und Naturidyllen (E. C. von Kleist, S. Geßner), in den geselligen Liedern der Anakreontiker (F. von Hagedorn, J. W. L. Gleim, J. P. Uz), in vielen Fabeln und Verserzählungen (C. F. Gellert) und wohl am glücklichsten in der heiter-ironischen Lebens- und Erzählkunst C. M. Wielands. Der Vernunft-Diktatur von J. C. Gottsched erwuchsen immer mächtigere Gegner. Mit F. G. Klopstock kam die gefühlsbetonende Empfindsame Dichtung, von der Erweckungsbewegung des Pietismus angeregt, zum Durchbruch und fand besonders Pflege im schwärmerischen Freundschaftsbund des "Göttinger Hain", dessen Lyrik in dem "Göttinger Musenalmanach" (1770 ff.) ihr Organ hatte. G. E. Lessing versuchte mit seinen theaterkritischen Beiträgen in der Hamburgischen Dramaturgie (1767-1769) die Vormachtstellung der französischen Klassiker zu durchbrechen, indem er auf Shakespeare sowie auf spanische Autoren hinwies. Mit "Minna von Barnhelm", "Emilia Galotti" und "Nathan der Weise" führte er das bürgerliche Trauerspiel ein und begann damit die Reihe der klassischen deutschen Dramen. Die Goethezeit (1770-1830) brachte deutsches Geistesleben in Literatur, Philosophie und Musik zu führender Bedeutung in der Welt; man nennt diese Blütezeit meist nach Goethe, weil er ihre wichtigsten Phasen mitgestaltet hat. Anfangs noch ein empfindsamer Anakreontiker des Rokokos, wurde Goethe bald zu einem jener "Kraftkerls" der Genieperiode des Sturm und Drang (W. Heinse, F. M. Klinger, J. A. Leisewitz, J. M. R. Lenz), die sich für unverdorbene Natur und intuitives Fühlen und gegen die Vernunftregeln der Aufklärung sowie gegen die sozialen Konventionen und Missstände auflehnten. Beim Durchbruch irrationaler Kräfte wirkten am nachhaltigsten J. G. Hamann und J. G. Herder. Dieser führte den jungen Goethe zu den Anfangsgründen der Sprache und der Poesie und zu Shakespeare. So entstanden der "Urfaust", der "Götz", die Frankfurter und Sesenheimer Lyrik und der empfindsam leidenschaftliche "Werther", der ihn überraschend schnell berühmt machte. - Goethes Weg zur Klassik begann in Weimar (seit 1775) und setzte sich in Italien fort (1786-1788), wo er im Geist J. J. Winckelmanns die Antike erlebte. Im Gedicht, im Drama ("Tasso", "Iphigenie") und im Bildungsroman gestaltete er das Konzept einer "reinen Menschlichkeit". Dieses Streben führte zum Freundschaftsbund mit Schiller. Nach revolutionär freiheitlichen Dramen ("Die Räuber", "Kabale und Liebe") hatte Schiller sich zum Dichter einer weltgeschichtlichen Tragödie ("Don Carlos") und umfassender Gedankenlyrik entwickelt. Im "klassischen" Jahrzehnt (1794-1805) entstanden Schillers späte Dramen vom "Wallenstein" bis zum "Wilhelm Tell", Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre", "Hermann und Dorothea" und "Die natürliche Tochter". Zur gleichen Zeit suchten die Romantiker ein neues Verhältnis zu Volk, Staat, Geschichte, besonders zum Mittelalter und zu den fremden Literaturen. In Jena sammelte sich ein Kreis der Frühromantik um die Brüder A. W. und F. Schlegel, um Novalis, L. Tieck, F. W. J. von Schelling und dessen spätere Frau Karoline. Die Brüder Schlegel stellten Schillers Zeitschrift "Die Horen" ihr "Athenäum" gegenüber, worin sie eine geistvolle Literatur- und Zeitkritik übten und eine romantische "progressive Universalpoesie" verkündeten. Novalis prägte im "Heinrich von Ofterdingen" das romantische Sehnsuchtssymbol der "blauen Blume"; L. Tieck schrieb den Künstlerroman "Franz Sternbalds Wanderungen", Märchendramen und Literaturkomödien. In jener geistig reichen Zeit gab es auch eine Reihe von bedeutenden Einzelgängern: Jean Paul, der als Verfasser bilderreicher Prosa ein Erfolgsautor seiner Zeit war. In seinen Werken voll philosophischer Ideen, bizarrer Handlungen und genialisch-wundersamer Gestalten vereinigte er die mitfühlende Darstellung des Menschen und der Natur mit der Satire, die auch vor der Formulierung nihilistischer Gedankengänge nicht zurückschreckt. F. Hölderlin, der tief religiöse Lyriker, der im Briefroman "Hyperion", im Dramenfragment "Empedokles" und besonders in Oden, Elegien und Hymnen vom Erlebnis eines idealen Griechenland und der göttlichen Mächte des Daseins Zeugnis gibt; H. von Kleist, der Dramatiker und Novellist, der die Verwirrungen der Gefühle in einer trügerischen Wirklichkeit und die Konflikte zwischen dem ungebändigten Ich und dem Gesetz der Gemeinschaft gestaltete. Bekannt wurden das aus der Verbundenheit mit seiner alemannischen Heimat geschaffene Werk des Mundartdichters J. P. Hebel und dessen Kalendergeschichten aus dem "Rheinischen Hausfreund", ähnlich wie zuvor die Gedichte und Geschichten von M. Claudius aus dessen "Wandsbecker Boten".

Die Dichter der Spätromantik wirkten um 1808 in Heidelberg; dort gaben A. von Arnim und C. Brentano die Volksliedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" heraus. Die Lyrik dieser Epoche ist durch Gefühlsüberschwang und Sehnsuchtsstimmung gekennzeichnet. In der Prosa beleben die Autoren volkstümliche Textformen wie Märchen, Volksbuch oder Sage und verwischen bewusst die Gattungsgrenzen. (A. von Arnims "Der tolle Invalide" und "Die Kronenwächter", C. Brentanos "Geschichte vom braven Kasperl und schönen Annerl", J. von Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts", L Tiecks "Phantasus"). Auch Berlin wurde zum Sammelpunkt romantischen Geistes; dort eröffneten R. Varnhagen (R. Levin), H. Herz, auch B. von Arnim ihre literarischen Salons, und es trafen sich in der "Mittwochsgesellschaft" F. de la Motte Fouqué und A. von Chamisso mit E. T. A. Hoffmann, dem "Gespensterhoffmann" vieler Fantasie- und Nachtstücke. In Tübingen entstand (u. a. L. Uhland, L. Kerner, G. Schwab) eine der Heimat und der deutschen Geschichte verbundene Schwäbische Romantik, die noch bei W. Hauff und E. Mörike fortwirkte.

Im 19. Jahrhundert suchten die konservativ Gesinnten das Erbe der Goethezeit (Goethes Spätwerk, u. a. "Faust II", wurde als unerreichbares Ideal angesehen) fortzuführen, aber bei ihrer Pflege von Bildung, Innerlichkeit und formaler Schönheit gerieten sie leicht in ein Missverhältnis zu den im praktischen Leben herrschenden Gewalten. Man hat jene verfeinerte Bürgerkultur als Biedermeier bezeichnet und ihm sehr verschiedene Dichter zugeordnet: so den früh resignierenden F. Grillparzer, A. Stifter, auch F. Raimund und J. N. Nestroy, die Meister des Wiener Volkstheaters, A. von Droste-Hülshoff und E. Mörike in ihrer Zurückgezogenheit, ferner Formtalente wie F. Rückert, A. von Platen, J. Geibel und den späteren Münchener Dichterkreis. Die revolutionär gesinnten Autoren hingegen, so die Gruppe Junges Deutschland (H. Heine, F. Börne, K. Gutzkow, H. Laube, T. Mundt, L. Wienbarg) und politische Lyriker wie H. Herwegh, F. Freiligrath verknüpften mit ihrer Literatur einen politischen Anspruch, der die von ihnen kritisierte geistige Stagnation der vorhergehenden Epoche durchbrechen und eine freie Gesellschaftsordnung herbeiführen sollte. In diesen Kreisen bildete sich ein neuer Stil des Journalismus heraus, der das Schlagwort und die witzige Pointierung zu nutzen wusste; hierbei wirkte besonders H. Heine mit seinen "Reisebildern" folgenreich; zugleich entwickelten sich der gesellschaftskritische Zeitroman und das polemische Zeitstück. Ein wichtiger Vertreter der revolutionären Dramatik ist G. Büchner, in dessen Stücken die Desillusion sowie das Infragestellen von gesellschaftlichen Werten und bürgerlicher Moral vorherrscht ("Woyzeck", "Dantons Tod"). Insgesamt setzte sich im 19. Jahrhundert ein Realismus durch, der mit dem Vordringen naturwissenschaftlicher Weltbetrachtung Hand in Hand ging. In der Prosaepik wurde das künstlerisch Reifste auf dem Gebiet der Erzählung, vor allem der Schicksals- und Charakternovelle geschaffen (G. Büchners "Lenz", J. Gotthelfs "Schwarze Spinne", F. Grillparzers "Armer Spielmann", G. Kellers "Leute von Seldwyla", "Sinngedicht" und "Züricher Novellen", O. Ludwigs "Heiterethei", C. F. Meyers historische Novellen wie "Der Heilige", E. Mörikes "Mozart auf der Reise nach Prag", W. Raabes "Stopfkuchen", A. Stifters "Studien", T. Storms "Aquis submersus" und "Der Schimmelreiter"). Innerhalb der Romanliteratur schilderte man vergangene Zeiten; zu den bekanntesten dieser historischen Romane gehörten: W. Alexis' "Die Hosen des Herrn von Bredow", G. Freytags "Die Ahnen", W. Hauffs "Lichtenstein", J. V. von Scheffels "Ekkehard", A. Stifters "Der Nachsommer", schließlich auch gelehrte "Professorenromane" wie F. Dahns "Kampf um Rom". Erfolgreiche Zeitromane aus der Mitte des Jahrhunderts waren G. Freytags "Soll und Haben", F. Spielhagens "Problematische Naturen", G. Kellers "Der Grüne Heinrich", W. Raabes "Hungerpastor" sowie T. Fontanes Gesellschaftsromane aus der Welt Berlins und des märkischen Adels ("Effi Briest", "Der Stechlin"). Von wachsender Bedeutung wurden ferner landschaftsverbundene Werke: J. Gotthelf schrieb seine mundartdurchwirkten Bauernromane aus dem Berner Land, der Wiener L. Anzengruber verfasste im Anschluss an das dortige Vorstadttheater und in liberaler Gesinnung wirkungsvolle Volksstücke sowie realistische Romane aus bäuerlicher Welt; M. von Ebner-Eschenbach schilderte mit verstehender Güte mährische Dorfwelt ("Das Gemeindekind") und Mitgefühl mit den Armen, P. Rosegger in ursprünglicher Erzählfreude seine steirische Waldheimat. - Die niederdeutsche Literatur wurde durch K. Groth sowie durch F. Reuter ("Ut mine Stromtid") und J. Brinckman zu neuem Leben erweckt. Als hintergründiger Humorist schuf der niedersächsische Malerdichter W. Busch seine bald Allgemeingut gewordenen Bildergeschichten. - Lyriker von Rang waren T. Fontane (besonders als Balladendichter), G. Keller, C. F. Meyer, T. Storm; E. Mörikes Gedichte sind nicht nur Höhepunkt seines Schaffens, sondern der nachgoetheschen Lyrik überhaupt.

Gegen Ende des Jahrhunderts wurde der Naturalismus als neuer Stil kämpferisch verkündet. Er lenkte den Blick besonders auf die gesellschaftlich Benachteiligten, die die wirtschaftlichen und technischen Wandlungen wehrlos erleiden mussten (M. Kretzers "Meister Timpe", G. Hauptmanns "Die Weber"). Literarische Wegbereiter waren in München die Zeitschrift "Die Gesellschaft" (Herausgeber O. Brahm, H. Bahr, H. Holz), die spätere "Neue Rundschau". Musterbeispiele eines "konsequenten Naturalismus" gaben 1889/90 A. Holz und J. Schlaf in ihrer Skizzensammlung "Papa Hamlet" und in dem Drama "Familie Selicke". Das wichtigste Ergebnis war ein mimischer Sprech- und Darstellungsstil, der jede momentane Regung, also auch das Triebhafte, Unartikulierte berücksichtigte. Mit der Uraufführung von G. Hauptmanns "Vor Sonnenaufgang" im Oktober 1889 setzte sich der naturalistische Bühnenstil durch. Von G. Hauptmann erschienen nun Jahr um Jahr neue Werke ("Der Biberpelz" u. a.). Zu gleicher Zeit prägten sich auch andere Stile aus. Mit dem naturalistischen "Sekundenstil" berührte sich der Impressionismus, der im sinnenhaft genau erfassten Augenblickseindruck das Eigentliche, das letzthin Wahre und Schöne der Welt zu finden glaubte (D. von Liliencron, P. Altenberg, H. von Hofmannsthal und A. Schnitzler). H. von Hofmannsthal war auch Mitarbeiter an den seit 1892 erscheinenden "Blättern für die Kunst" des geistesaristokratischen Kreises um S. George. Ferner entstanden in jener Zeit Frühwerke von R. Huch, A. Mombert, H. und T. Mann, R. M. Rilke, J. Wassermann. Für die Rechte der vitalen Sinnlichkeit gegenüber bürgerlicher konventioneller Moral kämpften R. Dehmel mit seiner zuweilen dionysisch rauschhaften Lyrik und F. Wedekind mit seinen oft ins Groteske und Satirische gehenden Dramen ("Frühlings Erwachen", "Erdgeist"), die auch schon expressionistische Züge aufweisen.

Die "wilhelminischen" Züge der Jahre zu Beginn des 20. Jahrhunderts spiegeln sich in Werken wie H. Manns "Untertan", C. Sternheims Komödien "Aus dem bürgerlichen Heldenleben" oder in C. Zuckmayers "Hauptmann von Köpenick". Von dem damaligen kulturellen Leben zeugen zahlreiche Verlage mit ausgeprägtem Programm und literarische Zeitschriften von eigenem Gesicht. Auch das Theaterleben war rege, und in den Großstädten kam das literarische Kabarett mit seiner Gebrauchslyrik auf (Berlin: E. von Wolzogens "Überbrettl", "Schall und Rauch"; München: "Die elf Scharfrichter"). Der Ruf nach einer das ganze Leben erfassenden Stilwende und nach neuer Gemeinschaft verstummte nicht mehr. Der vorwiegend dekorative, besonders mit der Dichtung des Symbolismus verbundene Jugendstil proklamierte eine Wiedervereinigung aller Künste mit dem Leben. Durch das Wort des Dichters wollte S. George eine Art Ordensbrüderschaft ("Der Stern des Bundes") gründen und geistige Ordnung stiften. Dichter kosmogonischer Mythen wie T. Däubler, O. zur Linde, A. Mombert entwarfen Bilderfolgen vom ewigen und vom künftigen Menschen. Im Kreis der Neuklassik (P. Ernst, W. von Scholz) erhoffte man sich eine Erneuerung nationaler Identität von den Idealen der Goethezeit her und in Anknüpfung an das tragische Weltgefühl F. Hebbels und F. Nietzsches. Bei den Neuromantikern (H. Eulenberg, E. Hardt, Ricarda Huch, E. Stucken, K. G. Vollmoeller) suchte man im bürgerlichen Alltag verkümmerte elementare Lebensgefühle zu wecken, feierte Rausch, Traum und Tod. Bei einigen frühen Expressionisten (E. Stadler, F. Werfel) nahm der Wille zu Aufbruch und neuer Weltsicht ekstatische Züge an, andere (J. R. Becher, G. Benn, G. Heym, G. Trakl) entwarfen Bilder abgründigen Schreckens von der Dämonie der Großstadt, von Verfall und Verwesung. Gattungen wie die Ballade und der historische Roman (R. Huch, E. Strauß) gewannen neues Leben, vor allem aber Kurzformen der Epik wie Novelle, Anekdote, Parabel (P. Ernst, W. Schäfer, H. und T. Mann, E. Strauß, A. und S. Zweig, F. Kafka, R. Walser). - Manche Einzelgänger jener Zeit sind schwer einzuordnen, so M. Dauthendey, P. Scheerbart oder C. Morgenstern. Auch formal zeigt das damalige Schaffen eine erstaunliche Spannweite. In der Lyrik entstanden neben den strengen Oden eines R. Borchardt oder R. A. Schröder die verspielten Reime eines O. J. Bierbaum oder die Mittelachsenlyrik ("Phantasus") und das Neubarock ("Dafnis") eines A. Holz. Klang- und Bildwelten von großer Intensität entfalteten S. George, R. M. Rilke, G. Trakl; in Schreigedichten "ballte" A. Stramm die Worte und zertrümmerte das Satzgefüge. Unter den Dramatikern blieb G. Hauptmann der naturalistischen Form treu ("Die Ratten"), weitete aber seine Welt ins Traumhafte und Symbolische ("Und Pippa tanzt"). H. von Hofmannsthal führte die österreichisch-spanische Barocktradition fort. E. Lasker-Schüler verwob Naturalistisches mit Visionärem ("Die Wupper"); W. Hasenclever brachte im "Sohn" das Weltgefühl einer gegen erstarrte Autorität aufbegehrenden Jugend zur Sprache. Nicht minder vielgestaltig war das umfangreiche Romanschaffen: L. Frank, G. Hauptmann, H. Hesse, F. Kafka, E. von Keyserling, T. Mann, H. Mann. Durch den 1. Weltkrieg wurde bald das brüchige Verhältnis zwischen Staat, Volk und Literatur offenbar. Anfangs herrschte vaterländische Begeisterung; doch bald bevorzugte man zeitferne Bücher wie die "Indienfahrt" von W. Bonsels. A. Döblin gestaltete in dem Großstadtroman "Berlin Alexanderplatz" mit den Mitteln der Montagetechnik explosive Atmosphäre.

Die Literatur der Zwanzigerjahre hat man als Übergang vom Expressionismus zu einer "neuen Sachlichkeit" beschrieben; in ihr verschärften sich die Spannungen zwischen der so genannten "Asphalt"-Literatur Berlins, das mit seinen kühnen Theaterinszenierungen (L. Jessner, J. Fehling, E. Piscator) zu einem internationalen Experimentierfeld wurde; die politisch engagierte Literatur (H. Mann, E. Toller, K. Tucholsky) wuchs an und das Kriegsbuch (E. Jünger, E. M. Remarque, L. Renn, W. Beumelburg, E. E. Dwinger, A. Zweig) hatte seine Stunde. Zugleich führten die alten Autoren ihr Werk fort, an sichtbarster Stelle G. Hauptmann und T. Mann, daneben aber auch G. Benn, S. George, H. Hesse, F. Kafka, H. Mann, R. Musil, F. Werfel u. a. Die Bühnen eroberten B. Brecht ("Die Dreigroschenoper"), F. Bruckner und C. Zuckmayer, aber auch R. Billinger ("Rauhnacht"), A. Bronnen, B. Frank, Komödien von C. Goetz, H. H. Jahnn, H. Johst, Klabund, M. Mell, A. Neumann, F. Toller, F. Wolf wurden gespielt. In der Lyrik erstarkte neben christlicher Religiosität (G. von Le Fort, R. Schaumann, R. A. Schröder, K. Weiß) eine neue Naturmythik (G. Britting, A. von Hatzfeld, O. Loerke, F. Schnack); andererseits lebte das bänkelsängerische Gebrauchsgedicht, das Chanson sowie der Song auf (B. Brecht, E. Kästner, W. Mehring, J. Ringelnatz, K. Tucholsky). Manche der neuen Autoren waren ebenso gute Erzähler wie Lyriker, so G. Britting, H. Carossa, M. Hausmann, A. Schaeffer oder I. Seidel. Andere durchleuchteten die eigene Zeit, ihre Not und ihren Wertezerfall: H. Broch, H. Fallada, O. Flake, L. Frank, E. Glaeser, H. Kesten, R. Neumann, J. Roth, R. Schickele ("Das Erbe am Rhein"), A. Seghers. Einfallsreichtum und liebenswürdigen Humor zeigen die Romane von E. Penzoldt und J. Winckler.

Von 1933 bis 1945 war die deutschsprachige Literatur in bisher unbekanntem Ausmaß politischen Einwirkungen ausgesetzt. Die nationalsozialistische "Reichsschrifttumskammer", die alle inländischen Veröffentlichungen kontrollierte, forderte und förderte nur Schrifttum, das in "Blut und Boden" verwurzelt sein und den Idealen der "nordischen Rasse" entsprechen sollte; sie verbot alles, was als "nichtarisch", als ästhetenhaft, intellektualistisch erschien. Die Folge war eine "volkshafte", oft krampfhaft-heroische, von der menschenverachtenden nat.-soz. Ideologie durchsetzte Gesinnungsliteratur. Die herrschende geistige Unfreiheit trieb Autoren in die Emigration ins Ausland oder mehr oder minder "nach innen". Jene, die bereits internationales Ansehen besaßen, wurden für die Exilliteratur zur stärksten Stütze. B.Brecht etwa verfasste "Mutter Courage", "Leben des Galilei". T. Mann vollendete seinen "Joseph"-Zyklus und deutete im "Doktor Faustus" die eigene Zeit; sein Bruder Heinrich gestaltete seine politischen Ideale in "König Henri Quatre" (Trilogie). Welterfolge hatten A. Seghers ("Das siebte Kreuz"), A. Zweig und S. Zweig ("Die Welt von gestern"). Andere Emigranten behaupteten sich "draußen" nur schwer, so A. Döblin, O. M. Graf, J. Roth, A. Schaeffer, R. Schickele, F. von Unruh, P. Zech. Auch in der Lyrik spiegelte sich die Not des Vertriebenendaseins wider, und für die Dramatiker stand als deutschsprachige Bühne von Rang fast nur das Züricher Schauspielhaus zur Verfügung. - Innerhalb des "Reiches", wo sich meist jugendliche Poeten mit Trommel- und Fanfarenklängen oder Sprechchören an Symbolen geeinter Macht berauschten, kamen einige der älteren Autoren (darunter H. Carossa, K. Edschmid, H. Fallada, O. Flake, F. Griese, G. Hauptmann, G. von Le Fort, A. Miegel, W. Schäfer, I. Seidel, H. Stehr, E. Strauß) den offiziellen Forderungen doch nur bedingt entgegen, einige wagten sogar den Protest, so E. Wiechert, der einige Zeit im KZ verbringen musste. Dagegen galt E. Jünger mit seinem Lob des heroischen Individuums und seiner Verachtung der zivilen, modernen Gesellschaft den Machthabern als Stütze des deutschen Konservatismus.

Der Titel "Das Innere Reich" einer 1934 gegründeten Zeitschrift (Herausgeber P. Alverdes und K. B. von Mechow) kennzeichnet die Lage: Man zog sich auf die Innerlichkeit, die "ewigen Werte", auf die Natur und die reine Sprache des Gedichts zurück. Vielgesichtig wurde die Gestaltung historischer Welten in Erzählungen, sei es als zeitgemäße Umdeutung als "Flucht in die Geschichte" oder als kritische Aussage zur eigenen Zeit (H. Benrath, W. Bergengruen, J. Klepper, H. Leip, O. Rombach, R. Schneider, F. Thiess). Auch im Drama bevorzugte man Historisches und Mythisches (F. Bethge, B. von Heiseler), aber auch einen pathetischen Ton (H. Johst, E. G. Kolbenheyer, C. Langenbeck, H. Rehberg); jedoch war handfeste Massenunterhaltung weit erfolgreicher. Autoren wie K. Kluge, E. Roth, H. Spoerl versuchten, die Schrecken des Krieges durch Humor zu überwinden.

Das Jahr 1945 bildet auch für die Literatur einen tiefen Einschnitt. Nach Propaganda, Pathos und geistigem Zwang wurde um so intensiver das erlebte Grauen, die Leere und das Doppelbödige des Daseins bewusst. Eine "Trümmerliteratur" des Grau in Grau entsprach einer Existenzphilosophie vom Menschen, der in die Welt "geworfen" ist bzw. dem von J. P. Sartre ausgeprägten "Existenzialismus". Rasch verbreiteten sich die bislang kaum zugänglichen Werke der Emigranten und des Auslands (E. Hemingway, W. Faulkner, T. Wilder, T. S. Eliot; J. Giraudoux, J. Anouilh), und als erste Nachkriegsromane erschienen u. a. H. Hesses "Glasperlenspiel" oder F. Werfels "Stern der Ungeborenen". Auf dem Gebiet der Lyrik wurden Werke aus dem Nachlass Verfolgter (A. Haushofer, G. Kolmar) veröffentlicht. Auf den Bühnen sah man W. Borcherts bitteres Heimkehrerstück "Draußen vor der Tür" und C. Zuckmayers "Des Teufels General", daneben Stücke von B. Brecht ("Herr Puntila und sein Knecht Matti"), M. Frisch ("Nun singen sie wieder"), F. Hochwälder, G. Weisenborn. Manche nahezu Vergessene wie E. Barlach, R. Borchardt, H. Broch, F. Bruckner, E. Canetti, S. Heym, H. H. Jahnn, K. Krauss, R. Walser, K. Weiß rückten neu ins Bewusstsein. Leidenschaftlich diskutierte man G. Benn, E. Jüngerund in anderer Hinsicht auch T. Mann.

Unterdes war die deutsche Literatur wiederum aufgespalten worden. In der DDR wurde alles, was sich dem neuen Dogma des "sozialistischen Realismus" nicht unterordnen ließ, als formalistische oder spätkapitalistische Verfallskunst verurteilt. Literatur und Kunst galten als Waffen im Klassenkampf. Durch fachgemäße Anleitung hoffte man, die Werktätigen selbst zu politisch aktivierten Darstellern und Gestaltern ihrer Arbeitswelt heranbilden zu können. Nach dem Vorbild des späten B. Brecht und gemäß seiner Theorie vom "epischen Theater" entstanden Stücke, die sich mit der deutschen Geschichte und gesellschaftlichen Strukturen auseinander setzten (H. Baierl, P. Hacks, H. Müller). Ebenso wurden die Erzähler der DDR auf marxistische Bewusstseinsbildung hin ausgerichtet, sowohl die älteren (B. Apitz, W. Bredel, E. Claudius, H. Marchwitza, L. Renn, A. Scharrer, A. Seghers, B. Uhse, F. C. Weiskopf), die fast alle vorher Emigranten waren, als auch die Vertreter der nächsten Generation (J. Becker, V. Braun, G. de Bruyn, F. Fühmann, H. Kant, E. Loest, E. Neutsch, U. Plenzdorf, R. Schneider, E. Strittmatter, Christa Wolf). In der Lyrik gab es neben Kampflied, Sprechchor, politischem Chanson, Satire auch manche differenzierteren, stilleren Töne, schon bei E. Arendt, W. Biermann (seit 1976 in der Bundesrepublik Deutschland), J. Bobrowski, S. Kirsch (seit 1977 in der Bundesrepublik Deutschland), G. Kunert, R. Kunze (seit 1976 in der Bundesrepublik Deutschland). Eine gewisse Freiheit der Kritik wurde S. Heym eingeräumt, der Zeitromane und historische Erzählungen schrieb. Erst der Sturz des SED-Regimes im Herbst 1989 brachte die Liberalisierung der Kulturpolitik.

In der westdeutschen Literatur strebten einige Lyriker eine "reine Schönheit" des Sprachmaterials an, bei der alles Metaphysische und Sinndeutende, ja die Mitteilungsfunktion überhaupt, belanglos wird. Andere waren zumeist von der Chiffrensprache G. Trakls, von G. Benn, vom Dadaismus oder Surrealismus beeinflusst. Hierher gehören: I. Bachmann, P. Celan, H. Domin, H. M. Enzensberger, W. Höllerer, K. Krolow, E. Meister, H. Piontek, P. Rühmkorf. - Von ähnlicher Vielfalt ist die Bühnenliteratur. Starkes Interesse fanden die zeitgeschichtlichen Dokumentarstücke, wie sie T. Dorst, H. M. Enzensberger, G. Grass, R. Hochhuth, H. Kipphardt, P. Weiss geboten haben. Unter den mannigfachen Theaterexperimenten ("Anti-Theater", engagiertes "Straßentheater") erregten das meiste Aufsehen die Sprechstücke ("Publikumsbeschimpfung", "Kaspar") und Pantomimen von P. Handke. Oft gespielt wurden auch: L. Ahlsen, H. Asmodi, W. Bauer, M. Braun, R. Hey, W. Hildesheimer, S. Lenz ("Zeit der Schuldlosen"). Fast jeder dieser Autoren schrieb auch Hör- oder Fernsehspiele. Hier nehmen Vergangenheitsbewältigung und zeitkritische Bestandsaufnahme thematisch den breitesten Raum ein. Seit Anfang der 1950er Jahre gewannen einige Schriftstellervereinigungen Einfluss auf das literarische Leben, insbesondere die "Gruppe 47" (1947-1977). Hier stellten meist jüngere Autoren ihre Werke vor und wurden kritisch gewürdigt. Insbesondere sind zu nennen: H. Achternbusch, I. Aichinger, A. Andersch, T. Bernhard, H. Böll, G. Grass, U. Johnson, W. Koeppen, S. Lenz, G. Wohmann, W. Wondratschek. In dem offeneren literarischen Klima konnten sich auch Einzelgänger wie A. Schmidt ("Zettels Traum"), B. Strauß, M. Walser und H. C. Artmann durchsetzen. 1961 bildete sich die "Gruppe 61", die sich - frei von politischen Richtlinien - mit sozialen und menschlichen Problemen der industriellen Arbeitswelt auseinander setzte. Mitglieder waren u. a. M. von der Grün, G. Wallraff und E. Runge.

Diesen betont politischen Tendenzen stand in den 1970er und 1980er Jahren eine Neigung zum Autobiografischen sowie eine "Neue Subjektivität" gegenüber; die Auseinandersetzung mit dem Elternhaus und die Emanzipation der Frau spielen dabei eine große Rolle (E. Plessen, K. Struck, P. Härtling, P. Henisch, E. Herhaus, H. Fichte, R. D. Brinkmann, N. Born). Besonderen Erfolg hatte W. Kempowski mit seinen chronikartigen Romanen, die die Zeit von 1939-1945 mit unzähligen charakteristischen Einzelheiten wiedergeben.

Mit dem Ende der DDR und der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands war auch das Ende der deutschen Nachkriegsliteratur gekommen. Die Literatur der DDR hatte ihre Rolle als volkserzieherisches Instrument ebenso eingebüßt wie die westdeutsche Literatur ihre ausschließlich politisch-moralische Funktion. Die deutsche Literatur heute zeichnet sich durch eine Vielfalt literarischer Modelle und ästhetischer Konzepte aus.

Quelle: Wissen.de

 

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